|Leseliebe| „Was ich nie gesagt habe“ von Susanne Abel

Ich gebe es ehrlich zu: Als ich gesehen habe, dass das grandiose „Stay Away from Gretchen“ von Susanne Abel eine Fortsetzung erhält, war ich zunächst skeptisch. Denn für mich war die Geschichte von Gretchen und ihrer Familie abgeschlossen. Nachdem ich ein paar unbefriedigende Hörbücher in Folge gehört hatte, habe ich mich entschlossen, „Was ich nie gesagt habe – Gretchens Schicksalsfamilie“ doch eine Chance zu geben. Eins vorneweg: das Buch hat mich zu Tränen gerührt.

Werbung: das Rezensionsexemplar (Hörbuch) wurde mir von netgalley kosten- und bedingungslos zur Verfügung gestellt.

 

Was ich nie gesagt habe_Gretchens Schicksalsfamilie_Susanne Abel_Rezension

 

Neue familiäre Verwicklungen

Kaum hat sich Tom Monderath an seine neu aufgetauchten Verwandten aus „Stay Away from Gretchen“ gewöhnt und konnte sich in seiner Rolle als Familienvater einleben, taucht plötzlich ein weiterer Halbbruder auf. Dieser zwingt ihn, sich mit der Familiengeschichte seines ungeliebten, verstorbenen Vaters zu beschäftigen. War dieser wirklich ein unverbesserlicher Schwerenöter, der diverse Nachkommen in die Welt gesetzt hat? Was geschah mit dessen Familie im Zweiten Weltkrieg? Und welche Rolle spielt Toms Onkel, der während der Nazizeit als Arzt erfolgreich war?

Schnell wächst Tom alles über den Kopf und auch sein junges Glück mit Jenny und Söhnchen Karl steht auf der Kippe.

 

Medizin unter dem NS-Regime

Wow, ich bin so froh, dass ich dem zweiten Teil eine Chance gegeben habe. Denn es ist definitiv kein schaler Aufguss von Teil 1, der nur verfasst wurde, um die Erfolgswelle noch einmal zu reiten. Nein, Susanne Abel widmet sich in „Was ich nie gesagt habe“ einem komplett neuen Thema. Es geht um Jugendliche, die während der Nazizeit vom Regime indoktriniert und missbraucht wurden. Junge Menschen, die nach den Kölner Bombennächten gänzlich auf sich alleine gestellt waren. Auch die unmenschlichen Experimente, die damals von Ärzten an lebenden Menschen durchgeführt wurden, spielen eine große Rolle. Besonders erschreckend finde ich, dass uns die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus diesen Forschungen bis ins hier und heute begleiten.

Auch der unvermeidliche, unangenehme Nazi-Onkel darf nicht fehlen. Wie sehr verabscheue ich es, immer wieder davon zu lesen, dass sich solche Personen nach Ende des Krieges überall durchlaviert haben, ihr braunes Gedankengut nicht wirklich versteckend. Am eindrücklichsten fand ich, dass Susanne Abel ihn den typischen „Boomer“-Satz „man darf ja gar nichts mehr sagen…“ hat von sich geben lassen. Diese unsägliche Plattitüde gab es also schon immer und ist keine Neuerung in aktuellen Diskussionen.

 

Warum mich „Was ich nie gesagt habe“ zu Tränen rührte…

Ich habe beim Hören von „Was ich nie gesagt habe“ sogar geweint. Denn es wird ein Thema behandelt, das mir wegen meiner eigenen Familie sehr nahegeht. Der Umgang mit angeblich „lebensunwertem Leben“ in der NS-Zeit. Ich habe einen Bruder mit geistiger Behinderung, weshalb es mir unweigerlich die Tränen in die Augen treibt, wenn ich daran denke, was ihn zu dieser Zeit erwartet hätte.

 

Und warum ich ein Herz für Tom Monderath habe…

Auch wenn Tom Monderath kein reiner Sympathieträger ist und ab und an ziemliche Allüren an den Tag legt, muss ich mich wiederholen: ich mag ihn. Kein Ahnung, vielleicht weil ich ihn mir optisch ansprechend à la Markus Lanz vorstelle und ihm deshalb viel verzeihe 😉

 

Fazit

„Was ich nie gesagt habe“ hat mich von Minute 1 an gefesselt. Ich habe sowohl die aktuelle Perspektive von Tom Monderath als auch die historische Zeitebene, die vorwiegend aus Sicht seines Vaters erzählt wurde, geliebt. Obgleich ich bereits recht früh geahnt habe, in welche Richtung es gehen könnte, war der Plot spannend wie ein Krimi. Besonders gut gefallen hat mir außerdem, dass Susanne Abel wieder hervorragende Recherchearbeit geleistet und sich an realen Geschehnissen orientiert hat.

Außerdem gibt mir „Was ich nie gesagt habe“ ein kleines bisschen Hoffnung, dass sich die Menschheit doch weiterentwickelt. Was ich daran festmache, dass der Satz „man darf ja gar nix mehr sagen…“ schon in den 1950ern en vogue war und keine Neuerfindung ist.

Ich wünsche mir sehr, bald wieder von Susanne Abel zu lesen / zu hören.

 

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