|Leseliebe| „Stella“ von Takis Würger – wie schlecht ist es wirklich?

Ich gebe es zu, ausschlaggebender Faktor warum ich auf „Stella“ von Takis Würger aufmerksam geworden bin, war die große Konverse im Feuilleton. Allerdings passt das Buch auch zu meinen Lesevorlieben, denn alles rundum den 2. Weltkrieg finde ich wahnsinnig spannend und lehrreich. Schon allein weil ich das Gefühl habe, dass „wider das Vergessen“ größer geschrieben werden muss als jemals zuvor.

 

Rezension Stella von Takis Würger

 


In „Stella“ lässt sich der junge Schweizer Friedrich dazu hinreißen, mitten im 2. Weltkrieg eine Reise nach Berlin zu unternehmen. Dort kommt er zum ersten Mal in seinem Leben mit der Liebe in Berührung und lernt Kristin kennen, die ihn vom ersten Moment an in ihren Bann zieht. Aber ist Kristin wirklich die Person, die sie vorgibt zu sein? Und kann sich Friedrich mitten in der Grausamkeit des Krieges und einer Diktatur einzig und allein auf die erste Liebe konzentrieren?


 

Unvoreingenommenheit

Es ist nicht leicht, über „Stella“ zu schreiben, ohne zu viel vom Plot zu verraten. Ich möchte es meinen Lesern nicht verderben, genauso unbefangen an die Geschichte heranzugehen, wie ich es selbst getan habe. So hatte ich zwar bereits vorab vom Sturm im Feuilleton gehört, mich aber nicht detailliert damit beschäftigt, denn ich wollte völlig unvoreingenommen sein. Das ist nicht nur wichtig, um die notwendige Neutralität gegenüber dem Autor und der Geschichte zu wahren, sondern auch, um sich beim Lesen überraschen zu lassen und Aha-Erlebnisse zu haben.

 

Pro

Trotz aller durchaus berechtigter Kritik kann ich „Stella“ die folgenden positiven Aspekte nicht absprechen:

1. Die Geschichte fesselt. Ich war von Seite 1 an fasziniert, teilweise abgestoßen aber nie gelangweilt.

2. Takis Würgers Schreibstil ist – ob man ihn nun mag oder nicht – in meinen Augen zu Friedrich, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird, passend. Außerdem hebt sich das Buch durch diesen Schreibstil deutlich ab. Mir haben sogar die andernorts viel kritisierten Auflistungen von historischen Fakten zu Beginn jeden Kapitels gefallen.

3. Ich denke noch immer über „Stella“ und die darin aufgeworfene Frage nach Schuld und Unschuld nach. Darf man andere Menschen verraten, um einen geliebten Menschen zu retten? Eine Antwort auf diese Frage werde ich kaum finden. Deshalb bin ich einfach dankbar dafür, dass ich gegenwärtig in einer Zeit lebe, in der ich nicht vor dieser Frage stehe. Aber ich denke, es spricht eindeutig für „Stella“, dass mich diese Frage so tief bewegt hat.

 

Rezension Stella von Takis Würger

 

Kontra

Nichtsdestotrotz gibt es auch Aspekte an „Stella“, die ich kritikwürdig finde. Warum wurde eine real existierende Person in den Mittelpunkt gestellt und auch deren tatsächlicher Name verwendet, obwohl es sich doch um eine in großen Teilen ausgedachte Geschichte handelt? Möchten wir selbst, dass einmal ein solches Buch über uns verfasst wird? Ich denke nicht. Denn ich frage mich bereits bei der Veröffentlichung von Tagebüchern und Briefen von Astrid Lindgren, ob ich es wollen würde, dass nach meinem Tod die ganze Welt meine intimsten Gedanken kennt.

Das bringt mich auch gleich zu dieser äußerst merkwürdigen Werbekampagne, die der Verlag vor Veröffentlichung von „Stella“ gefahren hat. Dort wurde (grob zusammengefasst) Post an Blogger und Bookstagramer mit dem Bild von Stella und der Frage „Kennen Sie Stella?“ verschickt. Ich wäre hier nie im Leben auf die Idee gekommen, dass es sich um ein Buch mit ernstem Hintergrund handelt. Die Werbeaktion hätte vielleicht zu einer 08/15-Liebesgeschichte gepasst, aber ganz sicher nicht zu einem solch ernsten Thema.

Auch kann kann man sich trefflich streiten, ob der männliche Protagonist viel zu naiv angelegt war. Oder ob Themen wie der Holocaust überhaupt in einem Roman „verwertet“ werden dürfen – und wenn ja wie und von wem.

 

Rezension Stella von Takis Würger

 

Verdienter Shitstorm?!

Es wundert mich deshalb nicht, dass das Buch einen regelrechten „Shitstorm“ geerntet hat. Vielleicht sogar vom Verlag so einkalkuliert. Denn auch schlechte Presse kurbelt bekanntlich die Verkaufszahlen an. Trotzdem finde ich, dass die Kritik teilweise unterhalb der Gürtellinie war und an eine regelrechte Hexenjagd auf den Autor erinnert hat. Ich hatte das Gefühl, dass alle Dämme gebrochen sind und plötzlich jeder Kritiker mit Wucht und großer Begeisterung einen noch größeren Verriss abliefern wollte. Und das war mir persönlich zu viel.

Wer sich für das Buch und den Autor interessiert, dem kann ich den „Stories“-Podcast mit einer Lesung von Takis Würger und anschließender Analyse empfehlen. Wenn man das Buch selbst lesen möchte, würde ich jedoch meine eigene Verfahrensweise für mehr Unvoreingenommenheit vorschlagen: erst lesen, dann denn Podcast anhören.

Über Links zu Euren Rezensionen würde ich mich sehr freuen.

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