Dank meiner Mama kann ich mir auf die Fahnen schreiben, dass ich beim Klufti von Anfang an am Start bin. Den ersten Band habe ich nämlich einst von ihr zu Weihnachten bekommen und der steht jetzt in der Version von einem ganz kleinen Verlag bei mir im Regal. Natürlich musste ich auch beim verflixten 13. Band „Lückenbüßer“ schauen, wie es im beschaulichen Allgäu mit Kluftinger, seiner Familie und seinen Kolleginnen und Kollegen weitergeht. Dieses Mal wieder in der Hörbuchversion von „Hörbuch Hamburg“.
Werbung: das Buch wurde mir von Netgalley kosten- und bedingungslos zur Verfügung gestellt.
(Die Bilder sind aus Oberstdorf, einem der Ermittlungsorte in „Lückenbüßer“. In allen Bildern ist die Nebelhornbahn zu sehen, die im Buch namentlich erwähnt – und gelobt – wird).
Lokalpolitik in politisch aufgeladenen Zeiten … und ein Polizistenmord
Aufregende Zeiten in Kommissar Kluftingers Leben. Nicht genug, dass er noch immer das Amt des kommissarischen Polizeipräsidenten begleitet, er hat sich auch von anderen Altusriedern dazu breitschlagen lassen, als „Hinterbänkler“ die Kandidatenliste für die anstehende Gemeinderatswahl aufzufüllen. Man mag einwenden, dass letzteres wohl kaum zu Stress führen kann. Bei Klufti schon, denn als er entdeckt, dass sein Erzfeind, der Dr. Langhammer, auf einer konkurrierenden Liste ebenfalls den Einstieg in die Lokalpolitik anstrebt, ist Kluftis Ehrgeiz geweckt. Nun möchte er nicht mehr nur „Lückebüßer“ sein sondern will den Einzug in den Gemeinderat unbedingt schaffen. Fotoshooting für Wahlplakate und öffentlichkeitswirksame Auftritte bei „Events“ wie dem Tag der offenen Tür in der Gemeindebücherei inklusive.
Praktisch, dass Kluftis neuester Kriminalfall ihn in den Dunstkreis eines ehemaligen Spitzenpolitikers führt. Denn ein Polizist, der auch als Personenschützer für besagten Bundesminister a.D. gearbeitet hat, kommt bei einer Terrorübung auf mysteriöse Weise ums Leben. Als Klufti und sein Team in das Privatleben des Opfers abtauchen, offenbaren sich Abgründe. Im Zuge der Pandemie ist der Polizist in die Schwurblerszene abgerutscht und scheint jeglichen Halt im Leben verloren zu haben. Entsprechend zäh gestalten sich die Ermittlungen, aber immerhin kann Klufti beim Ex-Politiker ein paar Ratschläge für seine Politikkarriere abgreifen…
Hörbuch top!
Eins vorneweg, das Hörbuch kann ich von Herzen empfehlen. Die Autoren lesen in bewährter Manier selbst – gemeinsam mit dem Sprecher Martin Umbach. Ich liebe den Dialekt der beiden und finde, sie haben es einfach drauf, ihren verschiedenen Figuren eine ganze eigene Stimme zu verleihen. Das gilt auch für die Frauenfiguren, was bei anderen männlichen Sprecher schnell albern wirken kann.
Weniger Krimi, mehr Gesellschaftskritik und Zeitgeist
Wer den Kluftinger wegen der reinen Krimihandlung liest, der wird vom „Lückenbüßer“ eher enttäuscht sein. Denn sonderlich spannend sind die Ermittlungen rundum den Tod des Polizisten nicht. Trotzdem finde ich, dass sich Klüpfel & Kobr in ihrem 13. Band etwas getraut haben. Sie haben die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und die aktuell aufgeheizte politische Stimmung im Land aufgegriffen und anhand des Beispiels von Klufti (und Dr. Langhammer) in der Lokalpolitik zum Thema gemacht. Diese Umsetzung hat mir gut gefallen, auch wenn für meinen Geschmack am Ende etwas zu viel Pathos vorherrschte. Außerdem ziehe ich meinen Hut davor, dass Klüpfel & Kobr sich dieser heißen Eisen angenommen haben, obwohl ihnen bewusst gewesen sein dürfte, dass das bei ihrer eher konservativen Leserschaft auf wenig Gegenliebe stoßen wird. Hinzu kommt, dass viele bei Büchern, in denen nur das Wort „Corona“ vorkommt, direkt abwinken und mit einem „davon will ich nicht auch noch in meiner Freizeit lesen“ das Buch zur Seite packen.
Humor und Lokalkolorit top!
Trotz der ernsten Tönen kommen der Humor und Kluftis Talent, mit Anlauf in jedes Fettnäpfchen zu springen, nicht zu kurz. Da kein wirklich großer Fremdschammoment dabei war, haben die lustigen Szenen dieses Mal meinen Geschmack getroffen.
Für mich persönlich besonders eindrücklich war, dass der Fall den Kommissar sowohl nach Oberstdorf als auch Ofterschwang führt. Zwei Orte, die ich schon selbst besucht habe und teilweise wie aus meiner Westentasche kenne. Das hat mir besonders gut gefallen, denn ich habe bei der Erwähnung von jedem mir bekannten Schauplatz innerlich in die Hände geklatscht („Oh mein Gott, ich weiß genau, welches Bekleidungsgeschäft in Obermaiselstein gemeint ist!“).
Fazit
Kein „normaler“ Kluftinger – sondern eine Gesellschaftskritik, die anhand eines „kleinen“ Beispiels aus der Lokalpolitik auf den Punkt bringt, woran die politische Lage in Deutschland derzeit krankt. Trotzdem kommen der bewährte Humor und typische Lokalkolorit nicht zur kurz. Einzig der Kriminalfall war mir zu wenig spannend und komplex. Ansonsten hatte ich auch mit diesem 13. Band viel Spaß und möchte mich explizit vor den Autoren verbeugen, dass sie sich nicht davon abhalten haben lassen, „in die Poltik zu gehen“. Denn wenn eins der Politik in diesem Land gut tun würde, dann ist es mehr Menschlichkeit. Und genau die verkörpert Klufti – alter weißer Mann hin oder her.