Heute möchte ich ein Buch aus dem Hause Lyx vorstellen, das vom Verlag dem „New Adult“-Genre zugeordnet wird. Für mich liegt der Fokus von „Like Water in Your Hands“ jedoch auf Themen abseits von Liebe und Herzschmerz. Was das Debüt von Mehwish Sohail zu einem bemerkenswerten Buch macht.
Werbung: das Rezensionsexemplar wurde mir von netgalley kosten- und bedingungslos zur Verfügung gestellt.
Neubeginn mit Anlaufschwierigkeiten
Arwa zieht für ihr Physikstudium direkt nach der Matura aus der österreichischen Provinz nach Wien. Der Neuanfang in der Großstadt fällt der in sich gekehrten Arwa alles andere als leicht. Nach und nach kommen all die Probleme ans Tageslicht, die Arwa seit Jahren mit sich herumschleppt. Zum Glück gibt es eine Tante in Wien, bei der Arwa wohnt. Diese bewahrt Arwa nicht nur davor, sich komplett selbst zu verlieren. Sie sorgt auch dafür, dass Arwa in der Gemeinschaft pakistanischer Einwanderer in Wien Anschluss zu Gleichaltrigen findet. Ganz langsam traut sich Arwa, ihr Schneckenhaus zu verlassen. In diesem Prozess spielt Tariq eine wichtige Rolle, denn er weckt in Arwa bislang nicht gekannte Gefühle…
Ein besonderes Buch
„Like Water in Your Hands“ ist ein ganz besonderes Buch. Das mit Arwa eine sehr beeindruckende, leise und ängstliche Protagonistin hat. Das spiegelt sich auch in der Erzählweise von Mehwish Sohail wider und macht dieses Buch zu etwas, was ich so vorher noch nie gelesen habe. Zwar werden auch Teile der Geschichte aus Tariqs Sicht erzählt, aber für mich steht Arwa klar im Fokus.
Ein ernstes Buch
Die Tendenz, sich in „New Adult“-Geschichten ernsten Themen anzunehmen, spüre ich schon seit ein, zwei Jahren. „Like Water in Your Hands“ sticht in meinen Augen trotzdem hervor, denn es widmet sich nicht nur dem bereits öfter verarbeiteten Thema „mentale Gesundheit“. Daneben liefert es auch einen sehr spannenden und bewegenden Einblick in das Leben von Einwandererfamilien. In Arwas Fall kommt hier neben den pakistanischen Wurzel der islamische Glaube hinzu, der sie in Österreich in vielen Situationen zu einer „Exotin“ macht. Gerade die Frage, was das Gefühl der Entwurzelung, von fehlender eindeutiger Heimat mit Menschen macht, wird für mich von Mehwish Sohail perfekt herausgearbeitet. Durch dieses Buch wurde mir als in Deutschland geborener Deutschen mit ausschließlich deutschen Vorfahren sehr plastisch vor Augen geführt, welche Dinge, die ich nie hinterfragt habe, für Arwa eben nicht selbstverständlich sind. So zelebriere ich die Vorweihnachtszeit und feiere Weihnachten, ohne das je jemandem erklären oder gar mich rechtfertigen zu müssen. Ganz anders sähe es aus, würde ich den Ramadan begehen.
Österreich vs. Pakistan
Besonders fasziniert hat mich, wie in „Like Water in Your Hands“ die Unterschiede im pakistanischen und mitteleuropäischen Familienleben hervortreten. Während es für Mitteleuropäer selbstverständlich ist, dass spätestens mit Anfang 20 ein Abnabelungsprozess von den Eltern stattfindet, der klassischer Weise mit einem Auszug verbunden ist, wird es in Arwas pakistanischem Umfeld als Affront gegen die Eltern gewertet, wenn man freiwillig und ohne Heirat die Familie verlässt. Und womöglich sogar alleine wohnen möchte.
Immer wieder, wenn ich „Bücher mit Migrationshintergrund“ lese, würde ich mir wünschen, dass mehr Menschen, die nie eine Entwurzelung ihrer Familie erleben mussten, Verständnis für ihre Mitmenschen aufbringen, die in zwei Kulturkreisen aufgewachsen sind. Und die sich deshalb nirgends komplett zu Hause fühlen.
„New Adult“ – oder doch was ganz anderes?
In meinen Augen muss man an „Like Water in Your Hands“ mit der richtigen Erwartungshaltung herangehen. Ja, die Geschichte hat mit Arwa und Tariq ein potentielles Paar als Protagonisten. Trotzdem hat die Beziehung der beiden für mich eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Arwas und Tariqs innere Dämonen, der Struggle zwischen pakistanischer Tradition und österreichischer Lebensrealität sowie die Wichtigkeit von Freundschaft sind für mich die zentralen Themen. Ganz abgesehen davon, dass die Liebesgeschichte ohne explizite Szenen erzählt wird.
Ich find wichtig, das zu erwähnen, damit niemand in Erwartung einer locker-leichten Love Story dieses Buch zu lesen beginnt.
Fazit
Gelesen mit dem richtigen Mindset, ist „Like Water in Your Hands“ ein ganz wundervolles Buch, das den Gedankenhorizont erweitert und einen realistischen Einblick in das Familien- und Gefühlsleben von entwurzelten Familien liefert. Schon alleine, weil die Autorin sehr genau weiß, wovon sie schreibt.