|Leseliebe| „Braunes Erbe“ von David de Jong

„Braunes Erbe“ von David de Jong ist mir auch aus beruflichen Gründen ins Auge gesprungen. Ich finde es spannend, zu erfahren, wie die unterschiedlichen Unternehmerdynastien durch die Nazizeit gekommen sind  – und inwiefern sie von dieser schrecklichen Periode der deutschen Geschichte profitiert haben.

Werbung: das Rezensionsexemplar wurde mir von netgalley kosten- und bedingungslos zur Verfügung gestellt.

 

Braunes Erbe von David de Jong

 

 

Die Intention des Autors

David de Jong, der Autor von „Braunes Erbe“, hat sich nicht nur aufgrund seines beruflichen Werdegangs als studierter Politikwissenschaftler mit den reichsten deutschen Unternehmerdynastien und ihrem Verhalten während der Zeitspanne zwischen Hitlers Machtergreifung und nach dem Ende des 2. Weltkriegs befasst. Als Niederländer interessiert er sich auch aus persönlichen Gründen für die deutsche Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mussten doch seine Vorfahren unter dem Einmarsch der Deutschen in den Niederlanden leiden.

 

Mit Ruhm bekleckert hat sich niemand…

In „Braunes Erbe“ beleuchtet David de Jong berühmte deutsche Unternehmerfamilien wie die Quandts, die Flicks, die von Fincks, die Porsche-Piëchs oder die Oetkers und ihr Wirken in der Nazizeit. Es ist in meinen Augen kein Spoiler, wenn ich an der Stelle erwähne, dass sich keine der genannten Familien mit Ruhm bekleckert hat. Das war für mich zu erwarten, schließlich kann ich mich selbst auch nicht davon freisprechen, dass ich in solch dunklen Zeiten mit einem menschenverachtenden Regime kooperiert hätte, um meine eigene Haut zu retten.

 

Aufarbeitung und Entschädigung: Fehlanzeige

Entsetzt hat mich jedoch, dass einige der genannten Dynastien durch Parteispenden aktiv dazu beigetragen haben, dass Hitler an die Macht kommen konnte. Ähnlich verwerflich finde ich, dass allen Familien gemein ist, dass sie die damals durch sie verübten / nicht vereitelten Verbrechen bis heute versuchen, unter den Teppich zu kehren. Eine von Herzen betriebene Aufklärungsarbeit sucht man vergebens.

Das ist etwas, was ich nicht verstehen kann. All diese Familien haben insbesondere durch eine Beteiligung an der Rüstungsindustrie enorm profitiert. Hinzu kommt die Beschäftigung von Zwangsarbeiter*innen und das „sich unter den Nagel reißen“ von jüdischem Vermögen. Warum kann man im Nachhinein nicht dazu stehen, um Entschuldigung bitten und vor allem die angezeigten Entschädigungen zahlen?

Bezüglich des Themenkomplexes „Zwangsarbeit“ hat „Braunes Erbe“ eine interessante Verbindung zu aktuellen Ereignissen. Denn immer wieder ist im Buch von ukrainischen Zwangsarbeiterinnen die Rede. Welche Ironie der Geschichte, dass die Nachkommen dieser ausgebeuteten Frauen (oder sogar sie selbst) nun vor dem Angriffskrieg nach Deutschland flüchten.

 

Der „kalte Krieg“ als Gerechtigkeitsbremse

Wer sich fragt, warum die meisten deutschen Unternehmerdynastien so ungeschoren davon kommen konnten, der sei auf die politischen Entwicklungen nach dem Ende des 2. Weltkriegs verwiesen. Ziemlich bald ging der Kalte Krieg los und dem Westen war ein wirtschaftlich starkes Westdeutschland als Bollwerk gegen den Kommunismus wichtiger als Sühne.

Ein kleines bisschen Gerechtigkeit gab es aber doch, da viele der großen Unternehmerfamilien an Bedeutung verloren haben. Man denke nur an die Flicks, die einfach keinen fähigen Geschäftsmann unter den Erben finden konnten.

 

Fazit

Ich fand „Braunes Erbe“ sehr spannend und mitreißend. Ja, es ist ein Sachbuch, das sich z.B. auch durch die notwendigen Quellenangaben auszeichnet. Trotzdem lesen sich die politischen Verwicklungen und Missetaten so spannend, dass es teilweise an einen Krimi oder Thriller erinnert. Keine Angst also vor schwerer Kost. Ja, es ist ein Blick in die dunkelsten Stunden unserer Geschichte. Aber trotzdem – oder gerade deswegen – so mitreißend und aufwühlend, dass ich keinerlei Probleme hatte, dranzubleiben. Für mich war „Braunes Erbe“ eine superspannende Geschichtsstunde, die ich nicht missen möchte.

 

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