|Leseliebe| „Ich bin zu zart für diese Welt“ von Manfred Krug

Da mir Teil 1 der Tagebücher von Manfred Krug sehr gut gefallen hat, stand für mich fest, dass ich auch bei Teil 2 „Ich bin zu zart für diese Welt – Tagebücher 1998/1999“ wieder mit am Start sein werde. Denn für mich sind die Tagebücher des populären deutschen Schauspielers nicht nur ein Blick in dessen Innerstes sondern auch eine ordentliche Portion Zeitgeschichte von vor knapp 25 Jahren.

Werbung: das Rezensionsexemplar (Hörbuch) wurde mir von netgalley kosten- und bedingungslos zur Verfügung gestellt.

 

Tagebücher 1998 1999_Ich bin zu zart für diese Welt_Manfred Krug

 

Vom Altwerden und später Vaterschaft

Auch in den Tagebücher der Jahre 1998/1999 liefert Manfred Krug wieder einen tiefen Einblick in sein Seelenleben. Nach einem Schlaganfall fühlt er sich gebrechlich und sinniert über das Altwerden und die Sterblichkeit. Trotzdem wussten in seinem Umfeld nur wenige, wie schlecht es ihm wirklich ging, denn nach außen versuchte er mit allen Mitteln, die Fassade zu wahren. Zu seinen melancholischen bis depressiven Verstimmungen trägt bei, dass er den Tod seines Freundes Jurek Becker nie überwinden konnte.

Seine kleine uneheliche Tochter Marlene ist noch immer der Sonnenschein in seinem Leben. Von ihrer Mutter distanziert er sich hingegen. Mit seiner langjährigen Ehefrau Otti führt er weiterhin eine sehr spezielle Ehe in zwei getrennten Wohnungen.

Beruflich ist er ein gefragter Mann und kann sich vor Angeboten kaum retten. Er konzentriert sich jedoch auf den „Tatort“ aus Hamburg, die Telekom-Werbespots und das Schreiben.

 

Tagebuch als Hörbuch

Wer denkt, Tagebücher als Hörbuch vorgetragen seien eine trockene Angelegenheit, dem kann ich versichern, dass das zumindest bei „Ich bin zu zart für diese Welt“ überhaupt nicht der Fall ist. Denn zum einen war Manfred Krug ein begabter Tagebuchschreiber, der sehr pointiert, unterhaltsam und manchmal beinahe verletzend ehrlich formuliert. Zum anderen wurden die über 800 Seiten Vorlage durch Krista Maria Schädlich gekonnt eingestampft. Hinzu kommt, dass mit Manfred Krugs Sohn der perfekte Sprecher für die Tagebücher gefunden werden konnte.

 

Zwischen der Last des Alterns und dem großen Schmunzeln

Die Ausführungen von Manfred Krug zu seiner Gesundheit haben mich stellenweise an meinen Vater erinnert. Denn auch der kämpft seit Jahren mit den Tücken des Altwerdens und hatte Phasen, in denen er gefühlt mehr geschlafen hat, als dass er wach war. Als Manfred Krug Marianne Koch mit den Worten „die Gefäße sind dafür verantwortlich, wie gesund man altert“ zitiert, hat er den Nagel auf den Kopf getroffen. Denn die Gefäße sind es, die meinem Vater das Leben schwer machen.

Trotz dieser ernsten Töne musste ich auch immer wieder schmunzeln, denn es ist einfach amüsant, wie Manfred Krug von seiner Einflussnahme auf Drehbücher oder musikalische Arrangements berichtet. Es erfüllt ihn mit beinahe kindlichem Stolz, wenn er mal wieder seine Änderungen durchdrücken konnte.

 

Politischer Charakterkopf – und erschreckende Parallelen zum Hier und Heute

Zum Spannungsbogen der Tagebücher trägt bei, dass Manfred Krug ein politischer Mensch war, der insbesondere auf seine Ex-Heimat, die DDR, einen sehr kritischen Blick hatte. Als ehemals Bespitzelter der Stasi war es ihm z.B. ein Dorn im Auge, die PDS im Bundestag vertreten zu sehen.  Teilweise sind seine Tagebucheinträge beinahe prophetisch. Bei Aussagen wie „Was wir an der Demokratie gehabt haben, werden wir erst merken, wenn wir sie nicht mehr haben“, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.

Teilweise kam ich mir beim Hören vor, als hätte ich ein einziges, großes Dejà-vu. Denn 1998/1999 tobte der Krieg auf dem Balkan, Putin (von Krug als „schmächtiges Jüngelchen“ bezeichnet) kam in Russland an die Macht und etablierte sich auch dank seines erbarmungslosen Durchgreifens in Tschetschenien, während in der Türkei tausende Menschen bei einem schweren Erdbeben ums Leben kamen.

 

Fazit

Ich hoffe sehr, dass auch die Folgebände von Manfred Krugs Tagebüchern herausgegeben werden. Für mich stellen diese die perfekte Mischung aus Unterhaltung, Melancholie und Zeitgeschichte dar. Deshalb gerne mehr davon.

 

 

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