Bevor ich mit dieser Rezension starte, muss ich zugeben, dass ich mich beim Aussuchen von „Wir sind doch Schwestern“ auf Netgalley quasi verklickt habe. Denn eigentlich dachte ich, es würde sich um ein neues Buch von Anne Gesthuysen handeln. Dann habe angefangen zu lesen und die erste Szene kam mir seltsam bekannt vor. Kein Wunder, hatte ich doch vor ein paar Monaten den Anfang der Verfilmung von Anne Gesthuysens erstem Buch im TV gesehen. Langsam fügten sich die Puzzleteile in meinem Kopf zusammen, und ich erkannte, dass ich versehentlich das Debüt der Autorin angefragt hatte. Aber alles kein Problem, denn das wollte ich sowieso schon immer mal lesen.
Werbung: das Rezensionsexemplar wurde mir von netgalley kosten- und bedingungslos zur Verfügung gestellt.
Ein Blick zurück aus Anlass eines 100. Geburtstags
Endlich einmal wieder Zeit für eine große Feier auf dem niederrheinischen Tackenhof! Katty organisiert die pompösen Feierlichkeiten zu Ehren des 100. Geburtstags ihrer großen Schwester Adele mit sehr viel mehr Elan, als man einer Ü80jährigen eigentlich zutrauen möchte. Natürlich ist auch die dritte Schwester im Bunde, die ebenfalls hochbetagte Martha, zu Gast.
Im Laufe der Festvorbereitungen ploppen immer wieder Erinnerungen an die bewegte Vergangenheit der Schwestern auf, die drei Jahrhunderte, zwei Weltkriege, ein Kaiserreich, eine Diktatur und zwei Demokratien umfasst. Dabei hat jede der Schwestern ihr Päckchen zu tragen – und ähnlich wie heute rühren die meisten Probleme aus ihrem Verhältnis zu ganz unterschiedlichen Männern. Adeles große Liebe wird ihr auf tragische Weise im 1. Weltkrieg genommen. Marthas Mann entpuppt sich als homosexuell. Und die jüngste Katty? Die ist ihrem Gutsherren treuergeben und findet sich unversehens als Trennungsgrund in dessen hässlichem Scheidungsprozess wieder.
Was bleibt ist die Erkenntnis, dass alle drei Schwestern trotz aller Widrigkeiten ein langes und glückliches Leben gehabt haben.
Wahre Begebenheit
Eins vorneweg, wer nun meint, dass Anne Geshuysen in „Wir sind doch Schwestern“ arg in die „Schicksalsschublade“ gegriffen hat, dem seit gesagt, dass das Buch auf ihrer wahren Familiengeschichte basiert. Einzelne Vorkommnisse wie der Scheidungsprozess lassen sich sogar anhand von Aktenmaterial belegen.
Spannender Ritt durch drei Jahrhunderte
Ich fand es wahnsinnig spannend von den Erlebnissen der drei Schwestern zu lesen. Wie sie in einfachen, bäuerlichen Verhältnissen aufgewachsen sind. Es aber dank eines Vaters, dem es auch an Bildung für seine Töchter gelegen war, teilweise sogar zu einem Studium gebracht haben. Auch war keine der drei Damen je komplett von einem Mann abhängig. Das macht Hoffnung und zeigt, dass es Frauen mit ein bisschen Förderung und genügend Durchsetzungswillen zu allen Zeiten zu etwas bringen konnten.
Manchmal ein bisschen holprig, immer spannend
Erzählerisch habe ich den Eindruck, dass Anne Gesthuysen in ihren nachfolgenden Büchern im Vergleich zu „Wir sind doch Schwestern“ gewachsen ist. Manchmal holpert es z.B. ein bisschen beim Sprung aus der Gegenwart in die verschiedenen Kapitel, die in längst vergangenen Zeiten spielen.
Trotzdem hat es mir viel Spaß gemacht, anhand dieser Familiengeschichte in längst vergangene Zeiten abzutauchen. Ja, es ist ein historischer Roman, aber niemand braucht sich davor zu fürchten, dass Anne Gesthuysen nur langweilige Daten und Fakten auflistet. „Wir sind doch Schwestern“ ist eine sich über mehrere Jahrhunderte erstreckende Familienchronik, die einen beim Lesen mitreißt.
Fazit
Ich kann „Wir sind doch Schwestern“ allen, die an der jüngeren deutschen Geschichte interessiert sind oder große Familienepen lieben, empfehlen. Ein kurzweiliges, lehrreiches Lesevergnügen wartet auf Euch.