Ich finde es wichtig, mich über aktuelle gesellschaftliche Themen wie das Gendern, Feminismus und Aktivismus zu informieren. Vor allem nicht aufzuhören, dazuzulernen. Genau deshalb habe ich mich entschieden, das Hörbuch „Wut und Böse“ von Ciani-Sophia Hoeder zu hören.
Werbung: das Rezensionsexemplar (Hörbuch) wurde mir von netgalley kosten- und bedingungslos zur Verfügung gestellt.
Warum es wütende Frauen so schwer haben…
In „Wut und Böse“ entlarvt Ciani-Sophia Hoeder sehr pointiert, warum die Kombination Frauen und Wut in vielen Köpfen so schlecht zusammengeht. Denn Frauen (oder weiblich gelesenen Personen) wird es seit Jahrhunderten abgesprochen, wütend zu sein. Lieber sollen sie ruhig und sachlich argumentieren. Allgemein zurückhaltend und sanft sein. Treten sie doch einmal anders auf, werden sie schnell als hysterische Furien abgestempelt und alles andere als ernstgenommen.
… und warum das ein Problem ist
Ciani-Sophia Hoeder arbeitet hier die Vergangenheit auf und liefert gleichzeitig einen Ausblick, warum es wichtig ist, wütend zu sein. Wie Wut helfen kann, die Ziele der Gleichberechtigung schneller zu erreichen. Warum es zu (pyschischen) Problemen führen kann, wenn Wut ein Leben lang unterdrückt und als unerwünschte Gefühlsregung abgestempelt wird. Das alles unterlegt sie mit persönlichen Erfahrungen und solchen von „nicht prominenten“ Frauen. Aber auch Beispiele, die in aller Munde waren (wie z.B. die legendäre Pressekonferenz von Tic Tac Toe oder das „Anecken“ von Andrea Nahles), sind Teil von „Wut und Böse“.
Erschütternd – auch für mich und mein Selbstverständnis
Das war selbst für mich als Frau nicht immer einfach zu lesen. Denn auch ich musste mir eingestehen, dass ich wütende Frauen als unangenehm und nervig empfinde. Dass auch in mir die Erwartungshaltung schlummert, dass Frauen gefälligst besonders rational und sachlich zu argumentieren haben. Natürlich erwarte ich das auch von Männern – aber auch ich muss zugeben, dass ich Männern mehr Emotionalität verzeihe. Erschreckend. Oder um Hildegard Knef zu zitieren: „Brüllen Frauen, sind sie hysterisch. Brüllen Männer, sind sie dynamisch.“ Ich gehe mit dem festen Willen, mich hier mehr zu hinterfragen und zu reflektieren, aus der Lektüre.
Hörbuch geeignet?
Aufgrund der Komplexität des Themas fand ich es nicht ideal, „Wut und Böse“ als Hörbuch zu konsumieren. Beim Lesen hätte ich mir wichtige Stellen mit Klebezetteln markieren oder einfach zurückblättern können. Dafür hatte es seinen ganz eigenen Charme, dass die Autorin das Hörbuch selbst eingelesen hat.
Gendern als „Randerscheinung“ von „Wut und Böse“
„Wut und Böse“ ist das erste komplett (und in meinen Augen ziemlich perfekt) gegenderte Buch, das ich gelesen oder gehört habe. Allen Skeptikern (und Hatern) kann ich zurufen: das hat meinen Lesefluss überhaupt nicht gestört. Natürlich musste ich mich am Anfang kurz „einhören“ und daran gewöhnen. Das ging aber super schnell und hat richtig Spaß gemacht, denn ich habe die gegenderten Wörter regelrecht „gesammelt“ und fand es sehr interessant, auch Wörter zu entdecken, bei denen ich selbst nicht auf die Idee gekommen wäre, diese zu gendern. Sprache entwickelt sich einfach immer weiter. So muss auch ich z.B. akzeptieren, dass mein geliebter Genetiv am Aussterben ist…
Fazit
Ein sehr wichtiges Buch, das sowohl Fragen beantwortet als auch aufwirft. Für mich geradezu augenöffnend. Schade nur, dass es viele (u.a. „alte, weiße Männer“), die es lesen sollten, nicht lesen werden.