|Leseliebe| Warum man literarisch über seinen Tellerrand schauen sollte / Simona Ahrnstedt

Wie ich über meinen Schatten gesprungen bin…

Ich bin, was die Genres betrifft, die ich lese, recht breit aufgestellt. Ich mag Young und New Adult genauso gerne wie Biografien oder Regionalkrimis. Es gibt nur zwei Arten von Büchern, die ich für mich ausschließe: (blutrünstige) Thriller und Historienschinken. Ersteres habe ich dank ausgeliehener Hörbücher eines sehr gehypten deutschen Autoren ausführlich getestet und als eine Mischung aus Ekel und Langeweile empfunden. Bei letzterem wurde mir vor vielen Jahren das Debüt von Ulrike Schweikert aufgedrängt (weil „Du kommst ja aus der Gegend“). War nicht meins. Dabei lese ich Bücher, die z.B. vor dem Hintergrund des Ersten oder Zweiten Weltkriegs spielen oder zur RAF-Zeit sehr gerne. Wandernde Huren hingegen sprechen mich gar nicht an.

Nun wurde ich diesem Grundsatz untreu. Schuld daran ist meine neuentdeckte Lieblingsautorin Simona Ahrnstedt. Von der habe ich alle „zeitgenössischen Romane“ innerhalb kurzer Zeit verschlungen. Da eine Neuveröffentlichung auf sich warten lässt, habe ich mir ihre ersten Romane angeschaut. Das sind drei an der Zahl und gemeinsam bilden sie eine historische Reihe.

 

Eine unbeugsame Braut von Simona Ahrnstedt

 

Wie mich „Eine unbeugsame Braut“ überraschte…

Als ich mir den Klappentext zu „Eine unbeugsame Braut“ angeschaut habe, war ich sehr skeptisch. Bauerntochter wird mit bösem Ritter verheiratet und muss ihr Heimatdorf verlassen. Das ganze vor der grausamen Kulisse des Mittelalters. Not my cup of tea. Andererseits, es wurde von Simona Ahrnstedt geschrieben. Der „Romantikkönigin“ aus Schweden (so wird sie dort tatsächlich genannt). Wer dabei jetzt an die legitime Nachfolgerin von Rosamunde Pilcher denkt, den muss ich korrigieren. Ja, ihre Geschichten sind romantisch aber um einiges erotischer als die von Rosamunde Pilcher. Außerdem hervorragend recherchiert und mit viel Gesellschaftskritik und Feminismus gespickt. Deshalb bin ich über meinen Schatten gesprungen und habe mir „Eine unbeugsame Braut“ heruntergeladen.

 

Eine unbeugsame Braut von Simona Ahrnstedt

 

Die Bauerntochter Iliana Henriksdotter gibt eine großartige Protagonistin ab. Obwohl sie in der eigenen Familie nur die ungeliebte, „unnötige“ Tochter ist, die irgendwie verheiratet werden muss, und dementsprechend wenig in ihre Bildung investiert wurde, besitzt sie etwas, was ich als Herzensbildung beschreiben würde. Sie ist sehr engagiert, sehr gerecht und liebenswert. Markus Järv hingegen ist ein Mann des Krieges, der auf den ersten Blick wahnsinnig düster wirkt. Schnell wird jedoch klar, dass er quasi die mittelalterliche Version des heute in „New Adult“-Romanen gerne präsentierten „Bad Boys“ ist. Also harte Schale, weicher Kern. Die beiden bilden ein großartiges Paar, und ich habe von der ersten bis zur letzten Seite mit den beiden mitgefiebert. Selbst das von mir normalerweise ungeliebte Setting im Mittelalter hat schnell seinen Schrecken verloren, und ich fand es einfach spannend, mehr über diese Epoche zu lesen. Falls ihr auf der Suche nach einer mitreißenden Liebesgeschichte seid, die historisch korrekt erzählt wird, kann ich Euch „Eine unbeugsame Braut“ wärmstens empfehlen.

 

Ein ungezähmtes Mädchen von Simona Ahrnstedt

 

Wie „Ein ungezähmtes Mädchen“ mich mit einem „unrunden“ Gefühl zurückließ…

Wenn meine Recherche das korrekte Ergebnis ausgespuckt hat, dann spielt „Ein ungezähmtes Mädchen“ zwar nach „Eine unbeugsame Braut“ (nämlich um 1880), es wurde von Simona Ahrnstedt aber früher verfasst. Im Fokus steht Beatrice von Löwenstein, die als Vollwaise bei ihrem Onkel lebt und diesem auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. So wird sie mit einem despotischen Grafen zwangsverlobt und muss sich von ihrer stürmischen Liebe zu dem norwegischen „Self-Made-Man“ Seth Hammerstaal verabschieden. Die Geschichte zeichnet sich durch viele Auf und Abs aus, wobei die Tiefpunkte durch dauernde Missverständnisse zwischen Beatrice und Seth ausgelöst werden. Das ließ mich das eine oder andere Mal mit einem Augenrollen zurück. So nach dem Motto „wie wäre es, wenn die beiden einfach einmal miteinander reden würden, als ständig irgendwelche Dinge anzunehmen?“

Was das Verhältnis von Beatrice zu ihrem Grafen betrifft, so gibt es da eine Szene, die ich als sehr brutal empfunden habe. Einerseits zeigt dies, wie hilflos Frauen in der damaligen Zeit oftmals waren, wenn sie einen gewalttätigen Ehemann erwischten. Andererseits fand ich es hart an der Grenze, davon zu lesen. Insgesamt hat das Buch einen etwas „unrunden“ Eindruck bei mir hinterlassen. Simona Ahrnstedt hat sich bei ihren nachfolgenden Werken definitiv gesteigert. Trotzdem hat mir an dem Buch gut gefallen, wie es beschreibt, was für ein langweiliges, zielloses Leben die Frauen aus der Oberschicht damals hatten. Außer Handarbeiten und auf die Vermählung warten, war da wenig geboten. Lässt mich dankbar sein, im Heute zu leben.

 

Ein ungezähmtes Mädchen von Simona Ahrnstedt

 

Worauf ich mich freue…

„Eine unerhörte Affäre“, der finale Teil, wird am 21.12.2018 auf Deutsch erscheinen. Und wird mich sicher über die Weihnachtstage begleiten.

 

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