Meine erste Erinnerung an Rick Zabel ist die, die er auch in seinem Buch „On the Road – von der Freiheit auf dem Rennrad“ mehrfach beschreibt: wie er als kleiner Steppke mit grün gefärbten Haaren auf den Schultern seines Vaters saß, als sich dieser das grüne Trikot bei der Tour de France sichern konnte. Mittlerweile ist Rick Zabel deutlich größer und breiter als sein Vater und hat die eigene Radfahrkarriere bereits beendet. Von dieser langen Reise will er in „On the Road“ berichten.
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In Vaters Fußstapfen
Als der deutsche Radsport seine erfolgreichste Zeit erlebt hat, war Rick Zabel ein kleiner Junge und trotzdem mittendrin. Das hat er seinem Vater Erik Zabel zu verdanken, dem wohl erfolgreichsten Sprinter der deutschen Radsporthistorie. Einige Jahre später hat sich Rick Zabel aus freien Stücken dazu entschieden, in die Fußstapfen seines berühmten Vaters zu treten. Diese Reise führt ihn über ein Leistungssportinternat in Ostdeutschland, den Nachwuchsrennstall von Rabobank bis zur Tour de France und seinem Lieblingsrennen, dem unerbittlichen Eintagesklassiker Paris-Roubaix.
Vater und Sohn
In dieser Zeit feiert Rick Zabel durchaus Erfolge, an die seines Vaters reicht er jedoch nie heran. Dies liegt nicht unbedingt daran, dass Rick (vermutlich) im Gegensatz zu seinem Vater nie zu unerlaubten Mitteln gegriffen hat, sondern vor allem an körperlichen Voraussetzungen und Talent sowie einer sehr unterschiedlichen Einstellung zum Leben und zum Sport. Während Erik Zabel hyperehrgeizig und fokussiert war, hat Rick Zabel nie einen Hehl daraus gemacht, dass er das Leben neben dem Sport genießen und in der Hinsicht nichts verpassen möchte. Ich finde es faszinierend, wie Rick Zabel in „On the Road“ von diesen Gegensätzlichkeiten berichtet. Die Momente, in denen er die Konflikte mit seinem Vater beschreibt, sind in meinen Augen die eindrücklichsten Szenen seiner Biografie.
In dem Zusammenhang möchte ich auch hervorheben, dass mir gut gefallen hat, dass er die Dopingvergangenheit seines Vaters schonungslos anspricht, ohne den menschlichen Blick auf seinen Vater zu verlieren.
Authentisch vs. langatmig
Ich habe in den letzen Monaten einige Interviews oder Podcastauftritte von Rick Zabel verfolgt und kenne deshalb seine direkte, manchmal etwas „rotzige“ Art recht gut. Deshalb war ich gespannt, ob diese Stimme in „On the Road“ hörbar sein würde. Das kann ich nach der Lektüre aus vollem Herzen bestätigen. Das Buch klingt, als würde es von Rick Zabel in seiner unnachahmlichen Art erzählt.
Im Gegensatz hierzu hat mir nicht so gut gefallen, dass die Biografie an mancher Stelle zu einer Art reinen Aufzählung von Rennen und Platzierungen verkommen ist. Das empfand ich als langweilig. Ich hätte es besser gefunden, wenn sich Rick Zabel und sein Co-Autor auf die eindrücklichsten Momente konzentriert hätten. Die Rennen und Platzierungen hätte man auch in einer Tabelle im Anhang zusammenfassen können.
Blick in die Zukunft
Nach diesem Buch in Kombination mit der Art, wie Rick Zabel in den Medien auftritt und wie er sich ein erfolgreiches Social-Media-Game aufgebaut hat, kann ich mir vorstellen, dass seine „Karriere nach der Karriere“ erfolgreicher verlaufen wird als seine Zeit als Rennfahrer. Stand jetzt sieht es auf alle Fälle nicht aus, als würde er in das typische Loch nach der Karriere fallen.
Fazit
Eine Sportlerbiografie, die nicht nur für Radsportenthusiasten sondern auch für Menschen, die sich an ihren dominanten Vätern abarbeiten, interessant ist. Und ganz viel Liebe für das wunderschöne Cover.