|Leseliebe| „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens“ von Tom Barbash

Ich bin niemand, der passend zur Corona-Krise auf die Idee gekommen wäre, endlich einmal „Die Pest“ von Camus zu lesen. Jetzt hat es sich aber rein zufällig so entwickelt, dass ich mit „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens“ von Tom Barbash ein Buch gelesen habe, das perfekt zum aktuellen Weltgeschehen passt. Denn all das, was in diesem Buch passiert, spielt vor dem Hintergrund eines tief gespaltenen Landes. Auf einen Verbrecher folgt ein wenig geschätzter Erdnussfarmer als „Führer der freien Welt“. Der kurz davor steht, von einem Hollywood-Schauspieler abgelöst zu werden. Was für eine illustre Riege an US Präsidenten. Und auch Rassenunruhen (z.B. in Miami) halten die USA in Atem. An mancher Stelle ließen mich die Parallelen kopfschüttelnd zurück. Warum „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens“ (trotz des sperrigen und eher unglücklich übersetzten Titels) für mich zu einem echten Lesehighlight geworden ist, davon möchte ich Euch heute erzählen.

Werbung: das Rezensionsexemplar wurde mir von netgalley kosten- und bedingungslos zur Verfügung gestellt.

 

Mein Vater John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens von Tom Barbash

 

Jede Menge Comebacks

Wie schreiben das Jahr 1979 und Anton ist gerade von einem Auslandsaufenthalt mit dem „Peace Corps“ ins heimische New York zurückgekehrt. Dort lebt er gemeinsam mit seiner Familie im weltberühmten „Dakota“-Gebäude, dem ersten Apartmentgebäude für die „Upper Class“, das je gebaut wurde. Sein Vater Buddy war einst ein gefeierter „Late Night Talker“, für den Anton als eine Art „Mädchen für alles“ gearbeitet hat. Bis zu dem Tag, an dem Buddy einen Nervenzusammenbruch erlitten und das Studio fluchtartig verlassen hat. Nun ist nicht nur Anton zurück in New York, auch sein Vater feilt an seinem Comeback. Und obwohl er es eigentlich nicht möchte, rutscht Anton zurück in die alte Rolle als Assistent seines Vaters.

Im „Dakota“-Gebäude wird zu der Zeit fieberhaft an einem weiteren Comeback gearbeitet. Denn auch John Lennon lebt dort und möchte nach seiner Auszeit als Hausmann wieder ins „Music Business“ zurückkehren.

 

Themenvielfalt und ganz viel Atmosphäre & Lebensgefühl

„Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens“ vereint so viele Themen. Es geht um die komplizierte Vater-Sohn-Beziehung von Buddy und Anton und den damit verbundenen Abnabelungsprozess und dem „Coming of Age“ von Anton. Das alles vor dem Hintergrund des „Late Night Show“-Geschäfts in den USA Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre. Außerdem erfährt man viel über den späten John Lennon, seine Angst vor dem Fanatismus der Fans und sein anstehendes Comeback.

Besonders gut gefallen hat mir, wie atmosphärisch dicht Tom Barbash das alles erzählt. Ich habe mich beim Lesen gefühlt, als würde ich gemeinsam mit Anton durch die gefährlichen und weniger gefährlichen Straßen von New York streifen. Als wäre ich live bei der Produktion einer „Late Night Show“ dabei.

Auch das Lebensgefühl der damaligen Zeit kam sehr gut herüber. Die USA waren nach den Morden an diversen Ikonen wie JFK, seinem Bruder Robert und Martin Luther King jr. und dem Skandal um Nixon ein tief verunsichertes Land. Wie bereits eingangs erwähnt, gab es auch damals Rassenunruhen und niemand wusste so recht, wie es weitergehen würde. Auf den ersten Blick ein bisschen beruhigend („hat es schon immer mal gegeben“), auf den zweiten Blick aber unendlich traurig, zeigt es doch überdeutlich, dass sich in 40 Jahren fast nichts geändert hat.

 

Mein Vater John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens von Tom Barbash

 

Noch ein Kennedy…

Ein Gedanke lässt mich, seitdem ich das Buch gelesen habe, nicht los. In einer Nebenerzählung geht es um Ted Kennedys Bewerbung als Präsidentschaftskandidat für die Demokraten. Es wird beschrieben, wie er einen eher unmotivierten Wahlkampf führt. Und erst bei seiner ersten Rede, nachdem klar ist, dass es mit der Kandidatur nichts wird, so richtig aufblüht. Frei nach dem Motto „hätte er die ganze Zeit so gekämpft, er hätte der nächste Präsident werden können“. Ich frage mich, ob er – bewusst oder unbewusst – nur mit angezogener Handbremse Wahlkampf geführt hat, weil er nicht wollte, dass ihm dasselbe Schicksal blüht wie seinen Brüdern…

 

Und nichts hat sich geändert!

Ziemlich schockiert hat mich ein Zitat von Ronald Reagan, der zu dem Zeitpunkt Wahlkampf für die Republikaner geführt hat:

„Bei den Republikanern preschte unerwartet Reagan von Sieg zu Sieg und erklärte munter, dass Bäume die Luft verschmutzten und das Bürgerrechtsgesetz von 1964 eine ‚Demütigung der Südstaaten‘ sei.“

Was fällt einem dazu ein? Nichts scheint sich geändert zu haben. Okay, zumindest gab es damals noch kein Twitter…

 

Alle Daumen nach oben von mir

Ihr seht, mich hat „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens“ begeistert. Man erfährt so unglaublich viel über das Zeitgeschehen in den 70er Jahren / frühen 80er Jahren. Und über die Seele der USA. (Mich hat es gerade auf seltsamen Wegen dazu gebracht, eine halbe Stunde lang über die Kennedys zu recherchieren. Waren das noch Zeiten, als es noch kein Instagram gab und John John Kennedy der „sexiest man alive“ war. Aber das ist eine ganz andere, viel seichtere Geschichte…). Es ist ein Buch, das mich sehr nachdenklich zurücklässt. Gemeinsam mit der Biografie von Michelle Obama, die ich parallel als Hörbuch konsumiert habe, der passende „Soundtrack“ für diese traurigen und aufwühlenden Zeiten…

 

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