Wo fange ich nur an bei dieser Rezension zu „Love Me Snowly“ von Jessica Wismar? Denn dieses Buch ließ mich mit einem Kopfschütteln zurück.
Werbung: das Rezensionsexemplar wurde mir von netgalley kosten- und bedingungslos zur Verfügung gestellt.
Liebe im Tiefschnee
Um vor den Problemen in ihrem Leben zu flüchten, reist Elina spontan mit einer Gruppe Anfang Zwanzigjähriger zu einer mehrwöchigen Skiausfahrt in die österreichischen Berge. Was sich zunächst traumhaft anhört, entpuppt sich als dramatisch und nervenaufreibend. Denn Eifersüchteleien, gebrochene Herzen, Unfälle und jede Menge Ärger drohen die Gruppe zu spalten. Elina selbst kämpft zudem mit ihren eigenen Dämonen aus der Vergangenheit und findet sich unversehens zwischen zwei Männern wieder.
Perfekte Ausgangslage – schwaches Ergebnis
Die Ausgangslage klang gut: eine Love Story vor winterlicher Kulisse. Das perfekte Setting für mich, die einen sonnigen Urlaubstag im Schnee jedem Strandurlaub vorziehen würde. Hinzu kommt, dass ich die Erste bin, die Hurra schreit, wenn bei „New Adult“ ein Setting außerhalb der USA geboten wird.
Leider war ziemlich schnell klar, dass der Plot und die Umsetzung von „Love Me Snowly“ an einigen Faktoren krankt. Ich habe so viele Schwächen ausgemacht, dass ich mich beim Lesen gefragt habe, wie dieses Buch so zustande kommen konnte. Die Antwort auf diese Frage habe ich ganz am Ende des Buches erhalten. Mehr dazu im Fazit meiner Rezension. Zuvor möchte ich versuchen, Struktur in meine Gedanken und eine vernünftige Analyse zu Papier zu bringen.
Schwäche 1: der Einstieg
Bereits auf den ersten Seiten wird der Leser mit einer stattlichen Anzahl an Familienmitgliedern konfrontiert. Mit dem Ergebnis, dass ich keine Ahnung hatte, wer wer ist und vor allem auch was das Ziel dieser Vorstellung war.
Denn es geht nach wenigen Seiten in dem Stil weiter: nun wird mir die Clique, mit der Elina verreist „an den Kopf geworfen“. Auch hier, jede Menge Namen und Charaktere. Die teilweise kleine Nebenrollen spielen. Keine Chance, den Überblick zu bewahren. Hier hätte das Lektorat in meinen Augen rigoros die Figuren zusammenstreichen sollen. Gewisse Funktionen in der Geschichte hätten definitiv auf weniger Figuren verteilt werden können.
Schwäche 2: die Intention
An so vielen Stellen in „Love Me Snowly“ habe ich mich gefragt, warum handelt Charakter XY so?! Ein Beispiel: warum verbringt eine Gruppe Anfang Zwanzigjähriger jedes Jahr Weihnachten – das Familienfest schlechthin – ohne Eltern, Großeltern und Geschwister mit anderen Jugendlichen, die sie teilweise nicht einmal besonders gut leiden können, im Skiurlaub? Haben alle familiäre Probleme? Sind Vollwaisen? Oder atheistische Weihnachtshasser?
Auch viele andere Verhaltensweisen waren für mich beim Lesen schlicht nicht nachvollziehbar. Warum mischt sich z.B. der Vermieter der Skihütte der Clique massiv in deren Leben ein? Warum brauchen sie als Aufpasser (nicht nur auf der Piste!) einen Skilehrer? Sind doch nicht alle über 18?
Es hat mich beim Lesen wahnsinnig gemacht, ständig auf diese Lücken zu stoßen.
Schwäche 3: die Polttwists
Teilweise kam ich mir vor wie auf einer Achterbahnfahrt, so wurde ich durch diverse 180-Grad-Wendungen im Plot umhergeschleudert. Erst gibt es Love Interest A. Plötzlich kühlt das Verhältnis ab. Alle Beteiligten verhalten sich völlig extrem. Achtung, da tritt wie aus dem Nichts Love Interest B auf den Plan. Hmmm, was hatten wir noch nicht? Ach ja, einen schweren Unfall könnten wir zusätzlich einbauen. Und ein paar gesellschaftskritische Themen wären auch nicht schlecht…
Es hätte dem Buch in meinen Augen so unfassbar gut getan, wenn man sich auf weniger Themen konzentriert hätte. Den Charakteren mehr Zeit für eine Entwicklung gelassen hätte. Einen roten Faden eingewoben hätte. So habe ich jegliche Struktur vermisst.
Schwäche 4: Fehler
Ich möchte mich nicht rühmen, „Love Me Snowly“ besonders aufmerksam gelesen zu haben. Trotzdem sind mir einige Rechtschreib- und Flüchtigkeitsfehler geradezu ins Auge gesprungen:
- Position 863: „…, und setzten uns dann zu den anderen draußen an eine der österreichischen Variante einer Bierzeltgarnitur aus massivem dunklem Holz.“ (die fett gedruckten Worte / Buchstaben müssten m.E. gelöscht werden, damit der Schachtelsatz einen Sinn ergibt)
- Position 942: „Er brauchte schnell einen uten Grund,…“ (hier fehlt das „g“ in guten)
- Position 971: „… setze Belle sich gerade auf den Platz direkt daneben.“ (hier fehlt in „t“, denn es müsste „setzte“ heißen)
- Position 2934: „Ehrlich, mit dir macht Kanaster spielen gar keinen Spaß“ (ist hiermit das Spiel „Canasta“ gemeint?)
Schwäche 5: Perspektivwechsel
Für mich klingt es sehr hölzern, dass die Kapitel aus Sicht von Elina in „Ich-Perspektive“ geschrieben sind, während die aus Noahs Perspektive von einem übergeordneten Erzähler berichtet werden. Das unterbricht beim Lesen jeglichen Flow.
Fazit
Das war leider gar nix. Trotzdem ist es mir wichtig, diesen „Verriss“ nicht der Autorin Jessica Wismar anzukreiden. Denn die schreibt im Nachwort, dass sie „Love Me Snowly“ in sehr jungen Jahren verfasst hat. Was für mich die logische Herleitung war, warum die Geschichte all diese Schwächen aufweist. Allerdings ist dies noch immer keine plausible Erklärung dafür, warum „Love Me Snowly“ in diesem Zustand veröffentlicht wurde. Warum hat das Lektorat die Geschichte nicht einmal auf links gedreht und an den Schwächen gearbeitet? Ich bin überzeugt, so hätte der Verlag einiges ausbügeln können. So bleibt bei mir das Gefühl zurück, das allererste Manuskript einer Nachwuchsautorin und kein fertiges Buch gelesen zu haben.