Ich weiß nicht, wie es bei Euch aussieht: macht ihr viel Sight-Seeing in der eigenen Umgebung? Ich finde, das kommt oft viel zu kurz. Da kennt man in Südtirol auf der Seiser Alm jeden Wanderweg, ist aber überrascht, dass es auch im Heilbronner Land ganz wunderbare Wanderstrecken gibt (rein zufällig gewähltes Beispiel – NICHT). Deshalb habe ich direkt zugegriffen, als ich gesehen habe, dass es eine neue Ausgabe der „Gebrauchsanweisung für Stuttgart“ gibt. Und das auch noch von der witzigen Elisabeth Kabatek deren „Laugenweckle zum Frühstück“ ich vor einigen Jahren mit Begeisterung verschlungen habe. Die „Gebrauchsanweisungen“ selbst sind mir ebenfalls geläufig, ich habe in der Vergangenheit z.B. die für die USA gelesen.
Werbung: das Rezensionsexemplar wurde mir von netgalley kosten- und bedingungslos zur Verfügung gestellt.
Typisch Stuttgart?!
In „Gebrauchsanweisung für Stuttgart“ versucht Elisabeth Kabatek einerseits mit gängigen Klischees über die baden-württembergische Landeshauptstadt aufzuräumen (sterbenslaaangweilige Industriemetropole in der die Bewohner als einziges Hobby die Kehrwoche haben und den Rest ihrer Freizeit auf Demonstrationen gegen „Stuttgart 21“ verbringen), andererseits gibt sie einem Reiseführer nicht unähnliche Tipps für Restaurants, Ausflugsziele und kulturelle Highlights. Das allerdings in Form Fließtext und mit Witz und klar erkennbarer eigener Meinung.
Stärken & Schwächen
Und genau das ist sowohl Stärke als auch Schwäche der „Gebrauchsanweisung für Stuttgart“. Auf der einen Seite wurde ich super unterhalten und habe das Buch innerhalb kürzester Zeit beendet. Auf der anderen Seite kam mir die persönliche Meinung von Elisabeth Kabatek an mancher Stelle zu stark durch. Ja, auch ich war nie ein Anhänger des Projekts „Stuttgart 21“, aber da ist „di Katz da Baam nuf“, das wird niemand mehr stoppen. Da kann man nur das Beste daraus machen. Deshalb hilft eine „ich habe alles besser gewusst“-Einstellung niemandem weiter. Man kann nur für die Zukunft und insbesondere für künftige Großbauprojekt lernen. Ähnlich unnötig fand ich Elisabeth Kabateks „ich bin zu intellektuell für Fußball, habe mich aber für dieses Buch extra ins Stadion gequält“-Vibes. Da hätte man den VFB auch ganz weglassen können.
Gestört haben mich außerdem ein paar Wiederholungen. Hier hatte ich das Gefühl, dass versucht wurde, das Buch so aufzubauen, dass der Leser nicht alle Kapitel zu lesen braucht. Eine Vorgehensweise, die sich mir nicht erschlossen hat.
Tipps & Eigenheiten
Trotzdem habe ich mir einige Seiten markiert und nehme diverse Tipps für Sight-Seeing in der eigenen Stadt aus der Lektüre mit. Außerdem finde ich, dass in „Gebrauchsanweisung für Stuttgart“ eine treffende Charakterisierung der Bewohner (hier dürfte Nicht-Stuttgarter vor allem der sehr hohe Anteil von Migranten überraschen) und ihrer Stadt gelungen ist.
Überraschendes Ende
Ziemlich überraschend fand ich das Ende. Denn zumindest meine digitale Ausgabe hört mit dem Kapitel über den VFB Stuttgart und den Worten „Sonst endet das Spiel bei meinem nächsten Besuch noch 0:8…“ sehr abrupt auf. Da vermisse ich ein paar zusammenfassende Worte – einen Epilog – am Ende.
Mein persönlicher Epilog zur „Gebrauchsanweisung für Stuttgart sieht wie folgt aus: kurzweilig und informativ trotz kleiner Schwächen.