|Leseliebe| „Altes Land“ von Dörte Hansen / Rezension

Dank einer seit diesem Jahr gestiegenen Anzahl an berufsbedingten Autofahrten (und meiner Abneigung gegen das deutsche Radioprogramm) bin ich immer auf der Suche nach Hörbuchnachschub. Der ist manchmal nicht einfach zu finden, denn ich höre am liebsten bestimmte deutsche Regionalkrimis und die erscheinen üblicherweise nur einmal im Jahr.

„Altes Land“ wollte ich schon seit längerem lesen, und als ich das Hörbuch entdeckt habe, klang das sofort nach einer guten Alternative, denn ich war mir sicher, dass Hannelore Hoger die perfekte Sprecherin für eine im hohen Norden spielende Geschichte sein würde. Von einem sofortigen Kauf abgehalten hat mich, dass als Hörbuch nur eine gekürzte Version erhältlich ist. Wer bitte kommt auf die Idee, ein Buch zu kürzen (und hier auch noch ein nicht gerade umfangreiches Werk)?! Nach ein bisschen Bedenkzeit habe ich mich trotzdem zum Kauf entschlossen. Bereut habe ich das nicht, ich muss jedoch zugeben, dass ich mich noch immer frage, was aus dem Buch gekürzt worden ist.

Rezension zu Altes Land von Dörte Hansen

„Altes Land“

Dörte Hansen
Roman
Deutsch
Hörbuch
5 Sterne (von 5 möglichen Sternen)
Empfehlung: für alle geschichtsinteressierten Leser, die spannende Erzählungen zu schätzen wissen.

“Altes Land” beginnt kurz nach dem Ende des 2. Weltkriegs. Im “alten Land” nahe Hamburg haben die Bauern genug zu essen und doch wehren sie sich mit Händen und Füßen gegen die Einquartierung von ostpreußischen Flüchtlingen. Auch die fünfjährige Vera von Kamcke und ihre Mutter Hildegard bekommen den Unmut der Hofbesitzerin Ida Eckhoff zu spüren.

Jahrzehnte später stehen bei Vera von Kamcke an selber Stelle ebenfalls zwei “Flüchtlinge” auf der Schwelle: ihre Nichte Anne und ihr kleiner Sohn haben überstürzt Hamburg verlassen und sind nun obdachlos. Die einsame Vera nimmt die beiden in ihrem großen, mittlerweile baufälligen Haus auf, das ihr auch nach all den Jahren noch immer ein bisschen unheimlich ist…

Rezension zu Altes Land von Dörte Hansen

Die Geschichte vom “Alte Land” wird in eher an Kurzgeschichten erinnernden Kapitel in nicht chronologischer Reihenfolge erzählt. Mich hat dieser ungewöhnliche Aufbau von Anfang an fasziniert und in seinen Bann gezogen.

Auch der Inhalt des Buchs hat mich lange beschäftigt. Das Buch spannt einen Bogen von Not und Vertreibung Ende des zweiten Weltkriegs bis in die heutige Zeit mit “Latte Macchiato”-Müttern in hippen Hamburger Stadtteilen. Vor allem die ostpreußische Geschichte hat mich sehr berührt. Es nimmt mich mit, wenn ich von Menschen lese, die bei Eiseskälte über das Haff flüchten mussten. Und Dörte Hansen gelingt es hier besonders intensive Bilder von zurückgelassenen Kinderwägen und Menschen, die sich aus Verzweiflung in den Bäumen auf dem Fluchtweg erhängt haben, zu malen. Es stimmt mich traurig, dass auch Jahrzehnte später noch immer weltweit Menschen in derselben Notsituation sind und deshalb große Fluchtbewegungen stattfinden.

Man spürt in “Altes Land” jede Sekunde, dass Dörte Hansen mit diesem Landstrich sehr vertraut ist. Entsprechend liebevoll und treffend zeichnet sie kühle Hanseaten und erzählt von ostpreußischen Tugenden. Auch war die Geschichte nie vorhersehbar und hat mich deshalb bis zum Schluss gebannt zuhören lassen.

Dieses Buch gehört definitiv zu meinen Lese- bzw. Hörhighlights 2017, denn es hat mich nachhaltig beeindruckt. Und dankbar gemacht, dass ich eine Heimat habe und nie vor Krieg und Elend flüchten musste.

 

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