Seit ich in der 10. Klasse ein Referat über Thomas Mann und „Die Buddenbrooks“ gehalten habe, bin ich großer Fan der Familie Mann. Denn die Familiengeschichte der Manns ist in meinen Augen spannender als jede Soap. Außerdem kann man anhand der Familie Mann sämtliche Untiefen der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert erleben. Deshalb habe ich zugegriffen, als ich entdeckt habe, dass es mit „Allianz der Heimatlosen“ von Armin Strohmeyr neue Literatur zu meiner liebsten deutschen Familie gibt.
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Irreführender Titel?!
Das Buch von Armin Strohmeyr trägt zwar den vollständigen Titel „Allianz der Heimatlosen – Erika Mann, Klaus Mann und Annemarie Schwarzenbach“, beim Lesen drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass die Mann-Geschwister rein aus marketingtechnischen Gründen an erster Stelle genannte werden. Klar im Fokus dieser Mischung aus Biografie und historischem Sachbuch steht nämlich Annemarie Schwarzenbach. Ihr Leben wird anhand von Briefen, sonstigen Dokumenten und überlieferten Berichten von Zeitzeugen rekonstruiert. Die beiden Manns tauchen nur auf, sofern sich Annemaries Leben mit ihrem überschneidet.
Viel Tragik
Das Leben von Annemarie Schwarzenbach kann an der Stelle als durchaus tragisch bezeichnet werden. Sie wird als queere und freigeistige Tochter mit Leidenschaft für die Schreibkunst in eine reiche Schweizer Familie mit rechtsnationaler Gesinnung hineingeboren. Vor allem die dominante Mutter spielt ihrer Tochter öfters übel mit.
Als die labile Annemarie in den Dunstkreis von Erika und Klaus Mann gerät, passieren zwei Dinge: Zum einen verliebt sie sich unglücklich in Erika, zum anderen kommt sie mit Drogen und Medikamentenmissbrauch in Kontakt und erliegt der Sucht. Das Thema Sucht wird sie ihr ganzes (kurzes) Leben lang nicht loslassen. Genauso wenig wie die ungesunde Leidenschaft für Erika Mann.
Einfluss von Klaus und Erika
Die beiden Mann-Geschwister spielen eine unglückliche Rolle in Annemarie Schwarzenbachs Leben. Einerseits kann ich verstehen, dass sie die sprunghafte und naive Freundin nicht immer ernst nehmen konnten. Andererseits hat Klaus – dem man jedoch auch zugestehen muss, dass er meist feinfühliger agiert hat als seine Schwester – mit Kusshand das Geld von Annemarie für seine Projekte genommen, während Erika sich nicht klar genug von der unglücklich Verliebten abgegrenzt hat.
Auch wenn Annermarie Schwarzenbach bereits 1943 verstorben ist, hat „Allianz der Heimatlosen“ trotzdem eine erschreckende Aktualität. Mir lief es mehrfach eiskalt den Rücken hinunter, wenn ich Parallelen zwischen der damaligen politischen Lage und heute entdeckt habe. So hat die NSDAP bei den Parlamentswahlen vor Hitlers Machtergreifung nur wenige Prozent mehr erzielt, als es eine gewisse Partei bei den aktuellen Landtagswahlen schafft. Mir macht das Angst und lässt mich schlecht schlafen.
Fazit
Für Einsteiger in den Familienkosmos der Manns ist dieses Buch eher nicht geeignet. Für alle, die sich schon mit dieser Familie, die Deutschland literarisch geprägt hat wie keine zweite, beschäftigt haben, bietet „Allianz der Heimatlosen“ eine tolle Ergänzung. Es muss jedoch klar sein, dass eine Freundin der Familie im Fokus steht – und eben nicht Erika und Klaus Mann.