|Leseliebe| „Eleanor & Park von Rainbow Rowell

„Eleanor & Park“

Rainbow Rowell
Jugendbuch
Deutsch
von einer Freundin geliehen bekommen
4,5 Sterne (von 5 möglichen Sternen)

Ehrlich gesagt habe ich mich ein bisschen darum gedrückt, dieses Buch zu lesen. Ich hatte vor einiger Zeit eine Leseprobe der ersten Kapitel angeschaut und da hat mir Eleanor so leidgetan, dass ich es nicht übers Herz gebracht habe, mich für das Buch zu bewerben. Später wurde mir das Buch von einer Freundin ausgeliehen, aber erst jetzt habe ich mich dazu durchgerungen, es zu beginnen, denn ich möchte es nicht ewig bei mir im Bücherregal stehen haben und nicht zurückgeben können.

Eleanor kehrt nach längerer Abwesenheit zu ihrer zwischenzeitlich umgezogenen, problembeladenen Großfamilie zurück. Einerseits freut sie sich, ihre Mutter und ihre Geschwister wiederzusehen. Andererseits ist diese Rückkehr zu ihrer Familie mit der erneuten Konfrontation mit ihrem verhassten Stiefvater gleichbedeutend. Der ist ein gewalttätiger, häufig betrunkener Taugenichts, der seiner Frau und seinen (Stief-)Kindern das Leben schwer macht. Sie alle scheinen nur eine Wahl zu haben: zu versuchen, möglichst wenig aufzufallen und somit möglichst wenig Angriffsfläche für dessen Wutanfälle zu bieten.
Auch bei ihrer ersten Fahrt mit dem Schulbus zur neuen Schule möchte Eleanor sich am liebsten unsichtbar machen. Aber das ist kaum möglich, wenn man feuerrote Haare, eine viel zu kurvige Figur und seltsame Klamotten hat. Entsprechend vernichtend fällt der Empfang durch die neuen Mitschüler im Bus aus.

Der Halbkoreaner Park wird von seinen Mitschülern zwar in Ruhe gelassen, richtig dazu gehören tut er aber auch nicht. Im Gegensatz zu den anderen Schülern an seiner High School kommt er aus einer intakten Familie. Auch seine Vorliebe für Comics und Musik abseits des Mainstreams unterscheidet ihn von den anderen. Obwohl er nichts mehr vermeiden möchte, als in den Fokus der mobbenden, coolen Kids zu geraten, bringt er es nicht übers Herz, diese seltsame neue Mitschülerin bei ihrer verzweifelten Suche nach einem Sitzplatz im Schulbus im Regen stehen zu lassen. Also lässt er sie neben sich sitzen. Und ignoriert sie. Erst als er entdeckt, dass sie seine Comics mitliest, beginnt eine zarte Annäherung der beiden.

Wie eingangs erwähnt, hatte ich Respekt vor diesem Buch. Ich war mir sicher, dass es gut sein würde. Schließlich habe ich in diesem Jahr schon zwei Bücher von Rainbow Rowell gelesen und weiß, dass sie eine brillante Autorin ist. Trotzdem hatte ich Bedenken, dass mich das Buch mit einem schlechten Gefühl zurücklassen würde. Dass ich zu sehr mit Eleanor leiden würde. Das war nicht der Fall, denn Rainbow Rowell vermeidet es, trotz der beinahe ausweglosen familiären Situation, in der sich Eleanor befindet, Hoffnungslosigkeit zu vermitteln. Außerdem ist das Buch trotz des ernsten Themas mit viel Wortwitz geschrieben und auch die bitter-süße Annäherung zwischen Eleanor und Park wird nie kitschig, was ich für eine wahre Meisterleistung halte, denn dazu gäbe es genügend Anlass.

Trotzdem hat es mir ab und zu das Herz gebrochen zu lesen, in welchen Verhältnissen Eleanor und ihre Geschwister aufwachsen müssen. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Ereignisse macht es mich unendlich wütend und traurig, dass es so viele Menschen gibt, die nicht erkennen, dass es KEINE Leistung ist, wenn man in einem florierenden Land in eine einigermaßen intakte Familie hineingeboren wird. Das ist einfach nur riesiges Glück! Genauso gut hätte man in einem von Bürgerkrieg geplagten Land oder in einer Familie unterhalb des Existenzminimums in den USA geboren werden können. Man mag den Eltern von Eleanor vorwerfen, dass sie nichts aus ihrem Leben gemacht haben, aber was für eine Chance haben ihre Kinder? Wenn nicht einmal genug Geld für Essen da ist? Die Kinder bringt ein „hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“ garantiert nicht weiter. Ich würde mir wünschen, dass mehr Leute erkenne, was für ein Privileg es ist, in Frieden, Freiheit und relativer sozialer Sicherheit leben zu dürfen.

Die Charakter wurden von Rainbow Rowell wieder einmal wundervoll gezeichnet. Das gilt zu allererst für Eleanor und Park, die trotz ihres Außenseiterdaseins nicht nur Unsicherheit sondern auch Stärke und eine gewisse Coolness ausstrahlen. Mir persönlich haben zudem Parks Eltern super gefallen. Sie eine sehr auf Integration bedachte Koreanerin, die am Anfang etwas unterkühlt wirkt, dann aber viel Herz zeigt. Er ein Veteran des Koreakrieges, auf den das Sprichwort „harte Schale, weicher Kern“ perfekt passt.

Meine Lieblingszitate:

 „Romeo und Julia waren nur zwei reiche Teenies, die immer alles bekommen haben, was sie wollten. Und jetzt denken sie halt, dass sie einander wollen.“

Der Gedanke, mit Park in aller Öffentlichkeit auszugehen, war so ähnlich wie der Gedanke, im Weltraum seinen Helm abzunehmen.

… als wäre die Tatsache, sie an einer neuen Stelle zu berühren, ganz normal und nicht wie die Entdeckung der Nordwestpassage.

Was ich bislang noch nicht erwähnt habe: die Geschichte spielt nicht im hier und heute sondern in den 80er Jahren. Ich weiß nicht, warum sich die Autorin dazu entschieden hat, manchmal hatte ich den Eindruck, dass es nur so möglich war, Eleanor und Park ab und zu Tage lang nicht miteinander in Kontakt treten zu lassen. In Zeiten von Smartphones und Social Media kann man eine Situation, in der Park Eleanor nicht anrufen kann, weil ihre Familie kein Telefon besitzt, kaum schlüssig beschreiben. Abgesehen davon, haben mir die verschiedenen Referenzen an die 80er Jahre gefallen. Vor allem musste ich jedes Mal schmunzeln, wenn Parks Vater als Magnum-Verschnitt beschrieben wurde.

Wer einen Bestseller lesen möchte, der trotzdem nicht dem Mainstream entspricht, dem lege ich „Eleanor & Park“ ans Herz. Ein wirklich gutes Buch.

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