„Du und ich und der Sommer“ von Katerina Silwanowa & Elena Malisowa

Was für besonderes Buch, das so unbedingt auch in Deutschland einen Hype verdient hätte! Denn „Du und ich und der Sommer“ von Katerina Silwanowa & Elena Malisowa vereint viele spannende Dinge in sich: historische Anleihen aus den letzten Zügen der Sowjetunion, eine bitter-süße Liebesgeschichte und auch  die Entstehungsgeschichte des Buches selbst ist mehr als dramatisch und politisch bedeutsam.

Werbung: das Buch wurde mir vom Verlag kosten- und bedingungslos zur Verfügung gestellt.

 

Du und ich und der Sommer von Katerina Silwanowa & Elena Malisowa Rezension

 

Ein endloser, sowjetischer Sommer und erstes Herzklopfen

Sowjetunion in den 1980er Jahren. Jura verbringt den Sommer wie in all den Jahren zuvor in einem typisch sowjetischen Sommerlager. Mit seinem rebellischen Verhalten eckt er in diesem durchorganisierten, kommunistischen Umfeld an. Doch dann lernt er Wolodja kennen. Auf den ersten Blick scheinen der undisziplinierte Jura und der zurückhaltende, politisch angepasst wirkende Wolodja wenig Gemeinsamkeiten zu haben. Doch als Juha dem gestressten Wolodja bei den Proben für ein politisch wichtiges Theaterstück unter die Arme greift, kommen die beiden sich näher. Und Juha beginnt zu ahnen, dass er mehr als nur freundschaftliche Gefühle für Wolodja hegt…

20 Jahre und viele politische Umwälzungen später kehrt Juha auf das Gebiet der Ex-Sowjetunion zurück. Und begibt sich auf die Suche nach einer ersten großen Liebe…

 

Prädikat: grandios

Wow, was für ein grandioses Buch! Ich habe „Du und ich und der Sommer“ ab Seite 1 geliebt und an nur zwei Tagen verschlungen. Die Gründe dafür sind vielfältig:

 

1.  Der geschichtliche Hintergrund

Ich fand es so unglaublich spannend, eine Geschichte aus den Endzügen der Sowjetunion zu lesen. Versteht mich nicht falsch, ich mag historische Romane generell sehr gerne und habe schon viele Bücher, die z. B. rundum den 2. Weltkrieg spielen, gelesen. Aber meist eben durch die deutsche Brille. So ein Buch aus dem Herzen der längst vergangenen Sowjetunion, die ich als Kind nur noch am Rande mitbekommen habe, ist deshalb etwas ganz Besonderes.

 

2. Das Setting

Ich würde „Du und ich und der Sommer“ grob irgendwo zwischen „Young Adult“ und „New Adult“ einordnen. Genres, in denen in Deutschland vornehmlich Autor*innen aus dem deutsch- und englischsprachigen Raum verlegt werden, und die Settings sich deshalb traditionell in Nordamerika sowie West- und Nordeuropa ansiedeln. Deshalb fand ich es so erfrischend, dass „Du und ich und der Sommer“ in Osteuropa spielt. Grund genug, einen Wunsch von mir an die deutschen Verlage zu platzieren: Mittlerweile werden die populärsten deutschen „New Adult“-Autorinnen wie Sarah Sprinz oder Anabelle Stehl regelmäßig in Polen oder Tschechien publiziert. Wäre es da nicht möglich, auch Geschichten aus diesen Ländern einzukaufen? Ich würde unglaublich gerne authentische „New Adult“-Romane lesen, die in Warschau oder Prag spielen.

 

3. Die Love Story

Es war wundervoll, die langsame Annäherung zwischen Jura und Wolodja zu verfolgen. Besonders faszinierend war hier, dass Jura keine Ahnung hat, dass es für ihn als Jungen überhaupt möglich ist, Gefühle für einen anderen Mann zu entwickeln. Das war wunderschön, voller sprühender Funken – aber auch sehr traurig.

 

4. Die zwei Zeitebenen

Mir hat sehr gut gefallen, wie sich die gesamte Geschichte über mehrere Jahrzehnte erstreckt. So dass Juha seine erste große Liebe im Rückblick noch einmal hat aufleben lassen. Mit der Folge, dass auch Einblicke in das Ende der Sowjetunion, die Zeit danach und die Migration vieler Menschen aus der Ex-Sowjetunion nach Deutschland eine Rolle gespielt haben.

 

5. Die Entstehungsgeschichte und politische Aktualität

Ich habe „Du und ich und der Sommer“ just zu dem Zeitpunkt gelesen, als die News vom Tod Nawalnys die Runde gemacht haben. Was für ein unglaublicher Zufall! Denn diese in Russland 2021 unter dem im Original lautenden Titel  „Sommer im roten Pionierhalstuch“ veröffentlichte Geschichte ging dort viral und stand aufgrund eines BookTok-Hypes auf Platz 1 der Bestsellerliste. Bevor es von den russischen Behörden als „LGBTQ“-Propaganda eingestuft wurde und die beiden Autorinnen in ihre ukrainische Heimat bzw. nach Deutschland flüchten mussten.

Einerseits todtraurig, andererseits weckt die Tatsache, dass so ein Buch die russische Jugend begeistern konnte, in mir die leise Hoffnung, dass doch noch nicht alles verloren ist…

 

Fazit

Lest und rezensiert dieses Buch! Es ist nicht nur unglaublich wichtig sondern zuvorderst auch eine wunderschöne Liebesgeschichte, die einen träumen lässt und in eine gänzlich andere Welt entführt. Ganz nebenbei lernt man auch noch eine Menge über eine gar nicht allzu ferne Vergangenheit und ein Land, das zumindest geographisch nah ist und doch aktuell so fern scheint wie seit 30 Jahren nicht.

 

 

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