|Leseliebe| „Eisenberg“ von Andreas Föhr

„Eisenberg“

Andreas Föhr
Krimi
Deutsch
Hörbuch
4,5 Sterne (von 5 möglichen Sternen)

Rachel Eisenberg betreibt gemeinsam mit ihrem getrenntlebenden Ehemann Sascha eine erfolgreiche Anwaltskanzlei in München. Die beiden sind Eltern einer pubertierenden Tochter, mit der Rachel in einer noblen Villa in Münchner Toplage lebt. Sascha ist zwischenzeitlich aus dem gemeinsamen Anwesen ausgezogen und wohnt mit der Rechtsreferendarin Paula zusammen. Eigentlich verlangt Rachel einen horrenden Stundensatz, den sich nur die betuchte Münchner Gesellschaft bzw. hocherfolgreiche Kriminelle leisten können. Für die entsprechende Medienpräsenz nimmt Rachel jedoch das Pflichtverteidigermandat für einen Obdachlosen an, der des grausamen Mordes an einer Studentin beschuldigt wird. Als sie ihrem neuen Mandanten das erste Mal begegnet, verschlägt es Rachel die Sprache, denn ihr sitzt ihre erste große Liebe gegenüber. Sie stürtzt sich voller Elan in die Verteidigung ihres Mandanten, denn sie möchte seine Unschuld beweisen und aufdecken, dass die Polizei zu einseitig in nur eine Richtung ermittelt hat.

Eigentlich hatte ich keine große Lust auf diesen Krimi, denn ich wollte eine Fortsetzung der Reihe um Wallner & Kreuthner und keine komplett eigenständige Geschichte um lauter neue Personen. Als ich beim Bestellen eines anderen Hörbuches gesehen habe, dass „Eisenberg“ reduziert angeboten wurde, habe ich trotzdem zugeschlagen. Da kam wahrscheinlich der Schwabe in mir durch. Außerdem brauche ich für Autofahrten immer Nachschub an Hörbüchern. Als ich mich nach dem Kauf spontan entschlossen habe, mir dieses Hörbuch als nächstes anzuhören, war ich bereits nach wenigen Minuten positiv überrascht, denn die Geschichte nahm mich sofort gefangen. Das lag zum einen an den komplexen Charakteren und zum anderen an der „Juristenatmosphäre“, die der Autor mehr als gekonnt aufbaut. Hier merkt man in jeder Sekunde, dass Andreas Föhr als gelernter Jurist weiß, wovon er schreibt. Ich selbst komme auch (zumindest im weitesten Sinne) aus der Branche und habe mehrfach gedacht ‚ja, genauso ist es!‘ Da wäre zum einen das leicht Versnobbte dieses Berufszweigs, was dazu führt, dass man gerne unter sich bleibt und nur studierte Volljuristen als ebenbürtig akzeptiert. Auch die etwas arrogante Art, die Arbeit der Polizei und Staatsanwaltschaft auseinanderzunehmen (die im vorliegenden Fall zugegebenermaßen auch Fehler gemacht hat), kam mir bekannt vor. Das gleiche gilt für die eigenwillige Art der Richterin, den Prozess zu führen.

Rachel Eisenberg ist eine sehr spannende Hauptperson, da sie zwar grundsätzlich sympathisch, aber nicht frei von Fehlern ist. Ihr Privatleben spielt im Buch eine nicht untergeordnete Rolle, Andreas Föhr vermeidet es trotzdem, dass er den Leser (im Gegensatz zu so manchem Tatort-Regisseur) damit langweilt. An dieser Stelle ein großes Lob an den Autor, denn es gelingt ihm als Mann super gut, eine weibliche Hauptperson zu entwickeln.

Andreas Föhr spielt – wie aus seinen anderen Krimis bekannt – mit mehreren Zeitebenen und der Fall ist gewohnt komplex aber trotzdem durchdacht. An der ein oder anderen Stelle schießt Rachel Eisenberg etwas über das normal mögliche an Ermittlungsarbeit für eine Anwältin hinaus, jedoch ohne, dass die Realitätsferne unerträglich wird. Auch die unvermeidlichen Wendungen am Ende des Krimis sind logisch aufgebaut.

Was mir gut gefallen hat, dass sich ein gewisses Grundthema durch den Krimi zieht. So etwas wie die leicht philosophisch angehauchten Fragen: Ist jeder Mensch in der Lage, einen Mord zu begehen? Wie gut kennen wir die Menschen in unserer engsten Umgebung? Sollten wir immer dem ersten Eindruck einer Geschichte trauen?

Für mich der bislang beste deutsche Regionalkrimi, den ich in diesem Jahr gelesen oder gehört habe. Ich freue mich auf das nächste Buch von Andreas Föhr. In einem Interview habe ich gelesen, dass er an einem weiteren Band rundum Kreuthner & Wallner arbeitet. Im Gegensatz zu meiner ursprünglichen Einstellung zu „Eisenberg“ muss ich zugeben, dass mich auch eine Fortsetzung zu diesem Buch begeistern würde.

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