|Leseliebe| Rosa Glitzerwelt für Mädchen – Geschlechtertrennung bei Büchern

Letzte Woche habe ich mit einer Freundin kommuniziert. Dabei hat sie
erwähnt, dass ihre Tochter, die in die Grundschule geht, eine
Buchpräsentation vorbereiten muss. Da mich Bücher immer interessieren,
habe ich mich erkundigt, für was für eine Geschichte sich die Tochter
entschieden hat. Die Antwort: „Der erste Band von ‚Sternenschweif‘.“
Okay, das sagt mir nichts, muss also Literatur sein, die es in meiner
Kinderzeit noch nicht gegeben hat. Ich würde zwar nicht behaupten, dass
ich mich in meiner Kindheit durch das gesamte Spektrum der
kindgeeigneten Literatur gelesen habe, aber ich denke, dass ich 90% der
Kinderbücher von damals zumindest namentlich kenne.

Aus
Neugierde und weil der Titel ein Pferdebuch vermuten ließ, habe ich bei
einem großen Online-Buchhändler nach dem Titel gesucht – und was kann
ich sagen, mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. Das Cover wirkt
schreiend pink und glitzrig, weshalb mir dazu nur eine Frage eingefallen
ist: setzt sich jetzt auch schon bei Kinderbüchern die bei Spielwaren weitverbreitete „Gender-Apartheid“ durch?

Ich
möchte nicht behaupten, dass in meiner Kindheit Jungs die
Hauptzielgruppe von Büchern zum Thema Pferde waren, aber zumindest sahen
Pferdebücher damals so aus, dass ein Junge solch ein Buch auch ohne
Kneifzange anfassen konnte. Auch damals gab es sicherlich schon
Literatur, die eher auf Mädchen oder eher auf Jungen ausgerichtet war,
aber ich wage zu behaupten, dass der Übergang fließend war. Es gab
Internatsgeschichten wie „Dolly“ oder „Hanni und Nanni“, in der so gut
wie keine Jungs vorkamen, so dass sich naturgemäß eher Mädchen für diese
Bücher interessiert haben. Im selben Genre gab es aber auch die „Burg
Schreckenstein“, die ich geliebt habe, und die sich vielleicht ein
klitzekleines bisschen mehr an männlichen denn weiblichen Lesern orientiert
hat. Oder denken wir an Astrid Lindgren, die gleichermaßen starke
Mädchencharaktere wie „Pippi Langstrumpf“ oder „Ronja Räubertochter“
aber auch unbeugsame Jungen wie „Michel aus Lönneberga“ oder „Kalle
Blomquist“ geschaffen hat. Die in meinen Kindertagen sehr beliebten
Detektivgeschichten wie TKKG oder „Die drei Fragezeichen“ waren
ebenfalls quasi „unisex“. Zumindest hat mich nie gestört, dass mit
Ausnahme von Gabi in „TKKG“ Mädchen keine Hauptrolle gespielt haben. Ich
denke auch nicht, dass ich mich mit Gabi besser identifizieren konnte
als mit Tim, Karl und Klößchen. Tim war sportlich und in gewisser Weise
attraktiv, aber auch beinahe zu perfekt. Karl hat man für seine Klugheit
bewundert, aber tauschen wollte man nicht unbedingt mit ihm. Irgendwie
mochte man Klößchen wahrscheinlich am liebsten. Weil er so witzig und
„unperfekt“ war. Und weil er es schaffte, seine Ernährung komplett auf
Schokolade umzustellen. Zu den „Drei Fragezeichen“ fällt mir in diesem Zusammenhang ein, dass es mittlerweile „Die drei Ausrufezeichen“ gibt, ein Buch, das sich speziell an eine jüngere, rein weibliche Zielgruppe richtet, was mich ebenfalls den Kopf schütteln lässt. Ist es mittlerweile ein Ding der Unmöglichkeit, dass man Bücher erschafft, die Jungs und Mädchen gleichermaßen ansprechen?!

Mir ist bewusst, dass es auch in 1980er
Jahren „Barbie“ und „He-Man“ gegeben hat. Aber ich bin trotzdem
überzeugt, dass man weniger bewusst und streng zwischen Mädchen und
Jungs getrennt hat. Die meisten werden die beiden Fotos kennen, die vor
einiger Zeit auf Facebook kursiert sind. Auf der einen Seite eine
Grundschulklasse aus den 80ern, in der alle Kinder blau, grün, rot etc.
wild durcheinander getragen haben. Auf der anderen Seite ein Klassenfoto
von heute, auf dem man bereits von weitem die Mädchen und Jungen
unterscheiden konnte, da alle Mädchen rosa (am besten von Kopf bis Fuß)
und die Jungs Blautöne getragen haben. Schaut man ins Süßigkeitenregal,
kann man plötzlich Überraschungseier für Mädchen kaufen. Auch Lego und
Playmobil legen spezielle Linien für Mädchen auf. Mein erstes Playmobil
(für Experten: noch mit den unbeweglichen Händen) war ein Bauer mit
Knecht und Kuh sowie ein Bauwagen mit Bauarbeitern. Habe ich gerne damit
gespielt? Na klar. Ich habe als Kind nie den Wunsch nach einer Feenwelt
verspürt. Stattdessen habe ich davon geträumt, dass Playmobil
ENDLICH ein Badezimmer auflegt.
Mancher mag nun entgegen, dass es
egal ist, wie man Kinder anzieht oder was man ihnen zum Spielen kauft.
Das denke ich nicht, denn wie möchte man Mädchen für typische
Männerberufe begeistern oder Jungs zu künftigen Erziehern oder
Pflegekräften machen, wenn man bereits ab Geburt jedes Geschlecht in
eine bestimmte Schublade steckt? Wenn man bereits Kleinkindern
suggeriert, „das ist nichts für dich, das ist nur was für Jungs
(respektive Mädchen)!“. Hätte ich ein Kind, würde ich mir wünschen, dass
es sich sein Buch aussucht, weil es am Inhalt interessiert ist, dass es
sich von spannenden Geschichten und starken Charakteren begeistern lässt
– und nicht auf ein Cover anspringt, das „rosa!“ „Glitzer!“ schreit und
deshalb suggeriert „ich bin das perfekte Buch für dich, Mädchen.“
(Das soll keine Kritik an den Kindern sein, die sich solche Bücher wünschen, oder den Eltern, die diese Bücher kaufen. Eher an der Spielwarenindustrie, die das als Marketingwaffe einsetzt).

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