„Die Stille der Lärchen“
In seinem zweiten Fall verschlägt es Kommissar und Nebenerwerbslandwirt Grauner in das abgelegene Ultental, wo die Bewohner selbst für Südtiroler Verhältnisse besonders wortkarg und katholisch sind. Entsprechend zäh verlaufen die Ermittlungen, als die Leiche der jungen Bauerntochter Marie bei den mystischen Urlärchen von St. Gertraud aufgefunden wird. Staatsanwalt Belli, der Vorgesetzte von Grauner, würde am liebsten komplett auf Ermittlungen jedweder Art verzichten, da der zugezogene Architekt Haller sofort ein Geständnis ablegt. Grauner hegt jedoch Zweifel an der Richtigkeit dieses Geständnisses und für die aufgebrachten Dorfbewohner steht sowieso fest, dass nicht der Architekt sondern dessen Sohn Michael, der mit dem Teufel im Bunde stehen soll, der Täter ist. Also stürzt sich Kommissar Grauner gemeinsam mit seinem Kollegen Saltapepe und dem Rest des Teams in die Ermittlungen. Sie treffen auf eine Mauer des Schweigens. Im Hintergrund scheinen einflussreiche Pfarrer und Großunternehmer die Fäden zu ziehen. Unter der Oberfläche brodeln Familiendramen, die Grauner bis ins Jahr 1908 zurückführen und auf den Spuren von Sisi und großen Schriftstellern wandeln lassen.
Bereits der erste Band der Reihe, der letztes Jahr unter dem Titel „Der Tod am Gletscher“ veröffentlicht wurde, hat mich begeistert. Da ich Südtirol mehrfach bereist habe, liegt mir der Ort des Geschehens natürlich besonders nahe. Ich finde, bei Lenz Koppelstätter merkt man, dass er von dort stammt und sich mit Land und Leuten auskennt. Er schildert sowohl die Landschaft als auch die Bewohner authentisch und hat mit Grauner einen urigen, leicht verschrobenen Kommissar geschaffen, der – anders als so mancher „Tatort“-Kommissar – trotzdem nicht an so vielen Macken leidet, dass man sich fragen müsste, wie er überhaupt noch im Polizeidienst sein kann. Mit dem Neapolitaner Saltapepe hat einen Counterpart aus dem „richtigen“ Italien, so dass man anhand dieser zwei Männer die Unterschiede zwischen Südtirol und dem Rest Italiens gut erkennen kann. Quasi Knödel vs. Spaghetti.
Als ich den Klappentext von „Die Stille der Lärchen“ gelesen habe, war ich direkt begeistert, dass der Krimi dieses Mal im Ultental spielen wird, habe ich doch im Juli erst einen kurzen Abstecher in diesesursprüngliche Tal unternommen. Dieser Ausflug war eine spezielle Erfahrung, denn das Ultental ist wirklich ganz anders, als der Rest Südtirols: abgelegener, düsterer, weniger touristisch erschlossen. Genau diese Atmosphäre nützt Lenz Koppelstätter in seiner Geschichte, um ein Geflecht aus alten Fehden, einflussreicher Kirche und dominanten Unternehmern zu kreieren.
Der Fall ist entsprechend komplex mit vielen Spuren und Verdächtigen angelegt. Aus diesem Grund bleibt der Krimi bis zur letzten Seite spannend, ohne zu verworren zu sein.
Erneut hat mir besonders gut gefallen, wie es der Autor schafft, Risse in die Südtiroler Idylle zu bekommen. Als ich im Juli die atemberaubende Aussicht auf die Berge Südtirols genossen habe, konnte ich mir in dem Moment nicht vorstellen, dass andernorts Dinge wie der Anschlag von Nizza oder der Krieg in Syrien passieren. Dass es auf der einen Seite Menschen gibt, die Krieg erleiden müssen, während man in Südtirol in einer atemberaubenden Landschaft in Frieden lebt. In „Die Stille der Lärchen“ wird aufgezeigt, dass auch die perfekteste Umgebung nicht davor schützt, dass Morde geschehen und sich die Bewohner missgünstig gegenüberstehen. Ländliche Idylle auf der einen Seite, Engstirnigkeit und Habgier auf der anderen Seite.
Die „Stille der Lärchen“ gehört zu meinen liebsten Krimis, die ich in 2017 gelesen habe und ist auch genreübergreifend ganz vorne dabei.
Eine wirklich gelungene Rezension, vielleicht schaue ich mir Band 1 mal näher an
Liebe Grüße, crumb von http://kejas-blogbuch.de/
Danke 🙂
Wenn man Regionalkrimis mag, die nicht klamaukig sind, dann sind die Krimis von Lenz Koppelstätter definitiv ein super Tipp.