|Wanderlust| Südtirol im Winter: Rodeln auf dem Raschötz / Resciesa

Südtirol St. Ulrich Raschötz Resciesa

Was Rodeln auf dem Raschötz / Resciesa mit einem Kindheitstrauma zu tun hat…

An diesem Tag musste ich schwer über meinen Schatten springen. Ich würde mich generell als vorsichtigen aber trotzdem nicht übervorsichtigen Menschen beschreiben. In vielen Situationen habe ich ein naturgegebenes Gottvertrauen, das mich davor bewahrt, mir zu viele Sorgen zu machen (z.B. beim Fliegen). Der vorsichtige Part meiner Persönlichkeit ist vermutlich Erziehungssache, denn meine Eltern (plus die Oma) würde ich eher in die Kategorie „übervorsichtig“ einordnen, weshalb ich kein übermütiges Kind war. Mein Vater sagt heute noch jedesmal „Pass‘ auf!“, wenn ich z.B. ein Teppichmesser anfasse. An der Stelle muss ich zugeben, dass ich mich bei meinen eigenen Kindern auch sehr zusammenreißen müsste, diese nicht zu sehr zu behüten, denn ich ertappe mich bereits bei Kindern von Freunden, dass ich ständig denke, die könnten irgendwo herunterfallen etc.

Es gibt eine Sache, vor der ich tierischen Respekt habe: alle sportlichen Aktivitäten, bei denen man selbst bremsen muss. Das ist einem Rollschuhunfall geschuldet, den ich als Kind hatte. Da bin ich einen Berg hinunter gefahren und konnte nicht mehr bremsen. Ich wurde schneller und schneller. Panik stieg in mir auf. Ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen, als mich hinfallen zu lassen. Dabei habe ich mir den Arm gebrochen. Ich bin gewiss nicht schmerzempfindlich, aber das hat so wehgetan, dass ich beinahe in Ohnmacht gefallen wäre. Seit diesem Erlebnis habe ich ein kleines Trauma und bekomme direkt Panik, wenn ich das Gefühl habe, die Kontrolle über die Geschwindigkeit zu verlieren.

Südtirol St. Ulrich Raschötz Resciesa

Die Rodelstrecke

Deshalb stand am Dienstag mit dem Rodeln auf dem Raschötz eine echte Bewährungsprobe für mich auf dem Programm. Wir sind mit dem Bus nach St. Ulrich gefahren und vom dortigen Busbahnhof zu Fuß zur zentral gelegenen Standseilbahn gelaufen. Eine kleine Vorwarnung: der Weg ist nicht weit aber recht steil. Man kann ein Tagesticket kaufen, mit dem man so oft fahren kann, wie man möchte. Aktuell führt die Rodelstrecke von der Berg- bis zur Mittelstation. Da kann man hinab rodeln und anschließend wieder mit der Bahn hinauffahren. Bei guten Schneeverhältnissen auch in tieferen Lagen führt die Rodelstrecke von ganz oben bis hinunter nach St. Ulrich. Einen Rodel und ggf. einen Helm kann man ebenfalls ausleihen.

Südtirol St. Ulrich Raschötz Resciesa

Überwindung

Oben angekommen und mit dem Rodel ausgestattet fingen meine Nerven an zu flattern. Als ich gesehen habe, wie schnell andere Rodler losgefahren sind, war es bei mir vorbei. Ich habe mich nicht getraut und musste die erste Runde aussetzen. Bei strahlendem Sonnenschein stand ich oben auf der Terrasse der Berghütte und habe gewartet bis M. nach ihrer ersten Runde zurückkam. Dabei reifte bei mir der Entschluss: ich muss das probieren. Zumindest einmal. Sonst würde ich dieser vertanen Chance ewig nachtrauern. Nachdem M. bestätigt hatte, dass es zwar anspruchsvoll aber machbar ist, habe ich mich tatsächlich überwunden und bin los gefahren. Ganz vorsichtig und die ganze Strecke über mit beiden Armen und Beinen am Bremsen. Ich war so verkrampft, dass ich schon einen Muskelkater auf mich zukommen sah. Aber ich habe mich getraut und bin unten im Ziel angekommen. Was kann ich sagen, irgendwie hat es sogar Spaß gemacht. Also noch einmal mit der Bahn hoch und wieder mit dem Rodel runter. Und noch einmal. Und noch einmal… Ich wurde von Fahrt zu Fahrt mutiger, habe leichter losgelassen und mehr Freude daran gefunden.

Südtirol St. Ulrich Raschötz Resciesa

Hervorragende Südtiroler/italienische Küche

Trotzdem war irgendwann eine Pause bitter nötig, und wir sind in der sehr urigen und gemütlichen Hütte auf der Bergstation des Raschötz eingekehrt. Auch zum Aufwärmen, denn der strahlende Sonnenschein war mittlerweile bedecktem Wetter gewichen. Als ich bei einem anderen Gast die Pommes gesehen habe, wusste ich, die muss ich haben. Sehr lecker und knusprig! Allgemein ist das Essen auf Südtiroler Hütten total schmackhaft und vielfältig. Kein Vergleich zur an Kantinen erinnernde Massenabfertigung auf deutschen und österreichischen Hütten. Ich frage mich sowieso, wo die Italiener das alles „hin essen“. Immer wieder mehrere Gänge, eventuell auch zweimal am Tag „warm“. Vermutlich ist es die frische Küche mit natürlichen Zutaten, die so viel besser vom Körper verarbeitet wird, als unsere vielen Fertigprodukte und die „Hauptsache billig“-Einstellung.

Und weiter geht der Rodelspaß – bis zum bitteren Ende

Nach der kleinen Pause hatten wir noch immer nicht genug und sind diverse weitere Mal ins Tal gesaust. Zwei-, dreimal musste ich mich dabei selbst ermahnen, nicht übermütig zu werden. Nicht dass doch noch etwas passiert. Vor allem da plötzlich Fußgänger in der Piste waren. An diesen sind wir mehrfach vorbeigefahren, wobei vorher nie klar war, wo man sie antreffen würde, denn sie sind teilweise bergan und bergab gelaufen. Deshalb haben es besagte Wanderer bei einer weiteren Fahrt geschafft, mich so aus dem Konzept zu bringen, dass ich plötzlich nicht mehr wusste, ob es im Anschluss an die Kurve, in der sie standen, geradeaus oder nach rechts weitergehen würde. Ich fuhr geradeaus, bemerkte aber im letzten Moment, dass das ein Fehler war und versuchte deshalb mit aller Macht meinen Schlitten abzubremsen und zu einer Richtungsänderung zu bewegen. Dabei habe ich es geschafft, meinen linken Fuß so umzuknicken, dass er nicht mehr nach vorne sondern plötzlich nach hinten ausgerichtet war. Sofort verspürte ich einen stechenden Schmerz und im ersten Moment war mir nicht klar, wie schlimm meine Verletzung war. Würde ich auftreten können? Vorsichtig bin ich die Reststrecke ins Tal gefahren. Nach dem Absteigen wagte ich eine Bestandsaufnahme. Auftreten ging, wenn auch mich leichten Schmerzen.

Südtirol St. Ulrich Raschötz Resciesa

Spaziergang zur Raschötz-Schutzhütte

Wie geplant sind wir trotz meines Unfalls zu einem Spaziergang zur Raschötz-Schutzhütte aufgebrochen. Ich habe es als Stresstest für meinen Knöchel betrachtet. Mittlerweile hatte es komplett zugezogen, aber die Stimmung im Tiefschnee war trotzdem magisch. Vor allem die verschneiten Bäume waren super schön.

Zurück an der Bergstation habe ich meinen Rodel abgegeben und bin mit der Bahn ins Tal zurückgefahren.

Besoffene Dänen in der Sauna

Ich kann es nicht anders ausdrücken: in diesem Urlaub wurde ich zum Wellness-Fan. Auch an diesem Tag haben wir die Sauna, den Whirlpool und die Liegen im Außenbereich genutzt. Da kam es übrigens zum „Cultural Clash“: während die Deutschen Anhänger einer FKK-Kultur in der Sauna sind, gehen die Italiener mit Badebekleidung in die Sauna.

Wir saßen entspannt in der Sauna und genossen den Blick auf St. Christina, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und ein leicht orientierungsloser Mann mittleren Alters herein gestolpert kam. Ich reimte mir aus seinem Englisch zusammen, dass er auf der Suche nach einem Handtuch war und erklärte ihm, dass die frischen „Towels“ gerade aus waren. Kein Problem, er griff zielgerichtet zu einem der gebrauchten (:facepalm:). Anschließend kam er zurück in die Sauna, leider ausgesprochen kommunikationswillig. „Where are you from?“ „I have also once lived near Stuttgart. In Pforzheim.“ (Ich musste unweigerlich an den „Let’s make Pforzheim great again“-Sticker, den ich vor zwei Wochen auf Instagram gesehen hatte, denken…). „Your football team is not so great right now.“ (Er hat wohl noch nichts von Tayfun Korkut gehört…) „How long will you stay?“ Zwischenzeitlich waren auch seine zwei (noch älteren) Kumpanen in der Sauna aufgetaucht. „Where are you from?“ „How long will you stay?“ „Where are you from?“ Nach der dritten Frage nach unserer Herkunft war mir klar, der muss betrunken sein. Als wir die Sauna verlassen haben, ist er uns direkt gefolgt. Um uns zu fragen warum wir so {richtiges Wort fiel ihm nicht ein} seien. Ich vermute, er hat nach zurückhaltend/kühl/abweisend gesucht. Und das kann ich leiden wie Bauchweh, wenn man mir meine Introvertiertheit vorwirft. Das ist meine Art. Get used to it. Wäre ich eine Eiskunstläuferin geworden, wäre ich nun einmal eine kühle, russische Eistanzdiva und kein „bubbly American girl next door“. Duh. Auch nach draußen auf die Liegen hat er uns verfolgt, allerdings wurde es ihm da schnell zu kalt, und wir hatten ihn schließlich los und unseren Frieden zurück. Bei solchen Erlebnissen fragt man mich, warum ich nicht verheiratet bin…

Mein Fuß wurde abends leider schlechter. Als ich nachts kurz aufgestanden und zur Toilette gehumpelt bin, verspürte ich einen stechenden Schmerz und dachte „oh, oh, das kann morgen – an meinen Geburtstag – etwas werden…“

4 Kommentare

  1. Becca
    27. März 2018 / 21:22

    Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass Du Deinen Arm gebrochen hast. War ich dabei anwesend? Vermutlich konnte ich damals noch keine Erste Hilfe leisten…

    • glimrende
      Autor
      28. März 2018 / 19:08

      Da warst Du nicht dabei. Und helfen hättest Du auch nicht gekonnt, da ich a) versucht habe, es erst einmal zu „vertuschen“ und b) es so weh getan hat, dass man den Arm nicht berühren konnte…

  2. Becca
    28. März 2018 / 21:25

    Nun bin ich erleichtert. Ich dachte schon, ich hätte Dich womöglich dazu angestiftet, den Berg hinunter zu fahren….

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