|Wanderlust| Travel Diary: St. Moritz zur Weltmeisterschaft im Ski alpin 2017 – Teil 2

Mittwoch, der 08.02.2017

Nach einer Nacht mit wilden Träumen vom anstehenden Super G (Aleks gewinnt und verweist Kjetil auf den zweiten Platz. Er verschafft sich den entscheidenden Vorteil, da er direkt nach dem Start mit Hilfe von Schwimmbewegungen zusätzlichen Schwung aufnimmt…), frühstücke ich ein sehr leckeres Nusskipferl (die Schweizer können alles, was Nüsse beinhaltet) und anschließend fahren wir mit dem Shuttlebus entspannt zum Zielgelände. Wider Erwarten wird mir durch die Serpentinen nicht schlecht.

Der Zielraum ist sehr weitläufig, was uns als Freiraum liebende Zuschauer entgegen kommt und den Stehplatz auf der viel engeren Tribüne nicht vermissen lässt. Zunächst stehen wir etwas weiter oben im steilen Gelände, aber nachdem ich es schaffe, eine Flasche zu verlieren und ins Tal und mitten in den abgesperrten Bereich kullern zu lassen, stellen wir uns doch lieber weiter unten ins Flache. Da hat man zwar keinen Blick auf den Zielbereich, sieht aber einiges von der Strecke und auch die Leinwand. Der Abstieg löst bei mir Panikattacken aus. Sturz! Oberschenkelhalsbruch! Abtransport mit dem Hubschrauber!

Ski-WM 2017 St. Moritz Super G

Die Wartezeit auf den Start ist angenehm, da es nicht zu kalt ist. Außerdem entdecke ich irgendwann, dass die Fahrer mit der Gondel direkt über unseren Köpfen gen Starthaus schweben. Peter Fill fährt ominöser Weise sogar zweimal hoch. Einmal zusammen mit Kjetil Jansrud.

Das Rennen startet pünktlich um 12:00 Uhr, und ich werde langsam nervös. Am Anfang scheint Vincent Kriechmayer aus Österreich unschlagbar zu sein. Dann kommt jedoch Kjetil und übernimmt souverän die Führung. Das ganze Stadion freut sich mit, ich bin mir jedoch nicht sicher, ob sie Kjetil so gerne haben oder ob es der Schweizer an sich super findet, dass nicht mehr länger ein Österreicher führt.

Kurz darauf geht Aleksander Aamodt Kilde an den Start und führt bei allen Zwischenzeiten bis kurz vor Schluss. Er kommt auf dem zweiten Rang ins Ziel, und er und Kjetil freuen sich so richtig von Herzen miteinander. Das ist der Teamspirit, den ich am norwegischen Team liebe. Das sieht man bei keiner anderen Nation, dass ein Nachwuchsfahrer wie Aleks so bedingungslos und herzlich integriert wird. Wenn das Rennen jetzt zu Ende wäre, hätte ich mein Traumergebnis. Zu schön, um wahr zu sein…

Wenig später schiebt sich Eric Guay aus Kanada auf die 1 und sein Teamkollege Manuel Osborne-Paradis kommt quasi aus dem Nichts und fährt Aleks vom Podium. Das hat mir schon in dem Moment das Herz gebrochen, schließlich wäre es Aleks erste Medaille bei einem großen Event gewesen, aber im Nachhinein ist es noch viel, viel tragischer, denn er wird in der Abfahrt mit wenig Rückstand Sechster (da wird Kjetil unglücklicher Vierter) und in der Super-Kombi holt er mit einem Wimpernschlagrückstand einen weiteren vierten Platz. Das tut mir so leid für Aleks, denn er ist so ein lieber Kerl, der mir in der letzten Saison richtig ans Herz gewachsen ist. Zum einen war es super schön zu sehen, wie geduldig und freundlich er in Kvitfjell mit all den Fotowünschen und Umarmungen umgegangen ist. Außerdem war es herzerwärmend, wie er in Meribel die kleine Kristallkugel im Super G gewonnen hat und gemeinsam mit Lara Gut auf dem Podest gestanden ist. Er hat Lara Gut so begeistert angestrahlt und sich wie ein perfekter Gentleman verhalten, das war hollywoodreif.

Ski-WM 2017 in St. Moritz Super G
Princess Pose!

Trotzdem muss ich zugeben, dass das Ergebnis des Super G besser war als 90% der Resultate, die ich in sechs Jahren Garmisch live miterleben musste…

Nach einer teuren, aber riesigen Portion Pommes fahren wir mit dem Shuttlebus zurück ins Tal und reservieren für abends einen Tisch in einer Pizzeria. Wir haben also aus der Erfahrung des Vortages gelernt.

Ski-WM 2017 in St. Moritz
Seit ich die Vlogs von Jon Olsson schaue, wollte ich unbedingt einmal Carspotting betreiben…

Da es weder ein Schweizer noch ein Österreicher aufs Podium geschafft hat, ist die Zuschauermenge bei der abendlichen Siegerehrung im Kulm-Park angenehm und überschaubar. Von mir gibt es dieses Mal trotzdem keine Fotos, denn wegen der Sehnenscheidenentzündung in meinem Daumengelenk habe ich während der gesamten WM auf meine große Spiegelreflex verzichtet und nur mit meiner kleinen Canon fotografiert. Hinter uns stehen ein paar österreichische Experten: „Der Guay ist aber jung!“ (ähm ja, er ist auch nur Vater von drei Kindern und seit diesem Tag der älteste Weltmeister in der Geschichte des Ski alpin). „Ach, Audi ist Sponsor?“ (jau, das kommt beim Ski alpin ja quasi nieeeeeee vor…).

Ski-WM 2017 in St. Moritz
Die Nobeleinkaufsmeile von St. Moritz

Auf dem Rückweg vom Kulm-Park kommt uns eine norwegische Fangruppe bestehend aus lauter Herren um die dreißig entgegen. Sie rufen den Schweizern zu: „We showed you how to ski!“ Erinnert mich an die „Escargot“-Rufe zu Fourcade bei der Biathlon-WM in Oslo 2016… Warum die Jungs nicht bei der Siegerehrung waren, ist mir allerdings ein Rätsel.

Ski-WM 2017 in St. Moritz
Pizza in der Pizzeria „Arte“

Die Pizza ist sehr lecker und so groß, dass ich sie nicht ganz schaffe. Was bei mir so gut wie nie vorkommt. Den Gesamtpreis von knapp 23 Euro inklusive Getränk finde ich auch in Ordnung. Allerdings könnte ich trotzdem nicht in die Schweiz auswandern, denn (zumindest in St. Moritz) kennt man kein Spezi. Und ohne Spezi kann ich nicht leben…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Die DSGVO-Checkbox ist ein Pflichtfeld

*

Ich stimme zu