|Leseliebe| „Ein perfektes Paar – Aljona Savchenko und Robin Szolkowy“

„Ein perfektes Paar – Aljona Savchenko und Robin Szolkowy“

Tatjana Flade
Deutsch
Biografie
4 Sterne (von 5 möglichen Sternen)

Aljona Savchenko & Robin Szolkowy sind die erfolgreichsten deutschen Eiskunstläufer seit Katarina Witt. Sie sind mehrfache Europa-und Weltmeister und haben zwei Bronzemedaillen bei Olympischen Spielen gewonnen. Die vorliegende Biografie schildert ihre ungewöhnliche Geschichte, denn Aljona stammt aus der Ukraine und ist bis Anfang zwanzig auch für ihr Heimatland gestartet. Robin Szolkowy war als Paarläufer im Juniorenbereich in Deutschland nur mittelmäßig erfolgreich und hatte quasi mit seiner Karriere als Paarläufer abgeschlossen. Auf Vermittlung eines deutsch-russischen Journalisten fanden sich die beiden zu einem Probetraining in Chemnitz zusammen, und es machte sofort „klick“ – zumindest auf dem Eis. Gemeinsam mit ihrem Coach, dem ehemaligen Paarlaufweltmeister Ingo Steuer, begann der steile Aufstieg in die Weltspitze. Trotzdem war nicht immer alles eitel Sonnenschein, denn die drei bildeten von Anfang an eine hochexplosive Mischung. Auf der einen Seite die überehrgeizige Aljona, auf der anderen der mindestens genauso ambitionierte Ingo Steuer und dazwischen (oder am Rand?) Robin als ruhender Pol. Erschwerend kommt hinzu, dass Aljona und Ingo teilweise auch privat ein Paar waren und die Stasi-Vergangenheit von Ingo für viel böses Blut und negative Schlagzeilen gesorgt hat. So blieb diese so erfolgreiche Karriere am Ende seltsam unvollendet. Aber zumindest Aljona nimmt mit ihrem neuen Partner Bruno Massot und einem neuen Trainer einen weiteren Anlauf zu olympischem Gold. Robin hat zwar seine aktive Amateurkarriere beendet, arbeitet mittlerweile jedoch als Trainer und hat in dieser Funktion die Möglichkeit, noch einmal zu Olympia zu fahren.

 

Tatjana Flade, die Autorin des Buches, ist bereits seit vielen Jahren im Presseteam der ISU aktiv und so etwas wie die gute Seele der Eiskunstlaufwelt. Ich kannte ihre Artikel und Interviews, die immer ausgewogen und unparteiisch waren, bereits vor diesem Buch. „Ein perfektes Paar“ ist im gleichen Stil gehalten. Man hat nie das Gefühl, dass einer der Beteiligten kritischer angepackt wird als die anderen. Der Schreibstil ist flüssig und die Kapitel sind chronologisch gegliedert. Das ist einerseits sehr übersichtlich, andererseits lässt mit der Zeit auch ein bisschen die Spannung nach, denn man weiß genau, was hintereinander kommt: Musikauswahl, Programmerstellung, Vorbereitungswettkämpfe, Grand Prix Serie, EM und WM.

Nachfolgend einige Zitate, die mir besonders aufgefallen sind:

„Als sie von dem Junioren-Grand-Prix aus Chemnitz zurückkam, sagte sie: ‚Deutschland gefällt mir. Da ist alles sauber, die Zeitpläne werden eingehalten.‘ Aljona war immer ein pünktliches, geradliniges Kind“, weiß Nina Savchenko noch heute.

Da ist Aljona wohl nicht mit der Deutschen Bahn gefahren;-) Trotzdem, finde ich es erstaunlich, wie sie damals schon geahnt hat, dass Deutschland „ihr Land“ ist.

Die EM 2005 im „Palavela“ von Turin war ein Testwettbewerb für die Olympischen Winterspiele im darauffolgenden Jahr. Die frisch renovierte, rot gestrichene Halle mit ihren Glasbalkonen unter einem Dach in Segelform stellt ein Meisterstück moderner italienischer Designkunst dar, die Metallsitze sind allerdings unbequem, auch bei der Zahl der Toiletten hatten sich die Architekten verrechnet – aber dies nur am Rande.

Das hat jetzt nicht direkt etwas mit der Karriere von Aljona und Robin zu tun, aber die völlig unangemessenen Sitze (teilweise ohne Lehne) und zwei Toiletten (eine davon gelegentlich verstopft) je Block werde ich NIE vergessen. Das hat mir an dem Buch generell gut gefallen: dass Tatjana Flade immer kurz auf den jeweiligen Wettbewerb, an dem Aljona und Robin teilgenommen haben, eingegangen ist. Also eine kurze Äußerung zur Qualität der Organisation, dem Publikumszuspruch und zur Eishalle.

2007/2008: „Ingo hatte zu Hause Bollywood-Filme und seine damalige Freundin hat gesagt, das wäre eine Kür für Aljona und Robin. Ich bin zu ihnen nach Hause gekommen und sie haben mir die CD gezeigt“, erinnert sie [Aljona] sich. 

Das fand ich etwas merkwürdig, denn eigentlich waren Aljona und Ingo bereits seit der Vorsaison ein Paar…

„Ich finde allgemein, dass Olympia ganz komisch ist. Ich mag kein Zusammenleben, so viele Menschen auf einem Haufen. Man ist gewöhnt, in einem Hotel zu schlafen, in seinem Zimmer und dort hat man seine Ruhe. Im olympischen Dorf sind alle zusammen und es ist sehr spartanisch. Das Essen im Speisesaal ist wie in einer großen Mensa. Das hat Bahnhofsatmosphäre und ist nicht gemütlich. In Sotschi war es nicht schlecht. Wir hatten ein schönes Haus, aber wenn alle zusammenwohnen, ist das zu viel. Es ist so, als wäre man aus der Welt raus. Ich mag so etwas nicht…“

Sorry, aber ich glaube, mit dieser Einstellung wird es nie etwas werden mit Aljona und den Olympischen Spielen. Bei Olympia muss man die ganze Atmosphäre in sich aufsaugen, man muss sich auf dieses Riesenereignis einlassen. Ich sage nur Tara Lipinski vs. Michelle Kwan. Da hat auch die gewonnen, die in der Eröffnungszeremonie mit marschiert ist und nicht die, die von allem abgeschirmt wurde. Ehrlich gesagt verstehe ich auch nicht, dass Aljona und Robin immer direkt nach ihrem eigenen Wettbewerb Olympia verlassen haben und erst zum Schaulaufen wieder zurückgekehrt sind. Für mich wäre es als Sportler das Größte, wenn ich endlich einmal andere Sportarten anschauen und andere Sportler unterstützen könnte. Da würde ich mir alles angucken, egal ob Curling, Rodeln oder 50 km Langlauf.

Robin: „Sechs Wochen Oberstdorf [zum Sommertraining]!“

Aljona: „Nein! Vergiss es! (Robin lacht) Ja, für einen Wettkampf wie die Nebelhorn Trophy ist Oberstdorf gut, aber vom Training her kriegst du die Krise im Kopf…“

„Früher habe ich gesagt: Hier [in Oberstdorf] ist es langweilig. Aber man verändert sich mit der Zeit. Mit der Zeit kommt das, was Du vielleicht nicht erwartest, aber was du genau dann brauchst, für Deine Seele. Vor zehn Jahre hätte ich gesagt, Oberstdorf, spinnt ihr? Ich finde es jetzt wunderschön und ruhig, optimal fürs Training“, stimmt Aljona zu.

Zum Glück hat sich Aljonas Einstellung zu Oberstdorf im Laufe der Zeit geändert. Denn sonst wäre sie an ihrem aktuellen Trainingsort todunglücklich. Ich persönlich würde sofort nach Oberstdorf auswandern, wenn sich die Gelegenheit ergeben würde…

Ich muss zugeben, Savchenko & Szolkowy sind nie eines meiner absoluten Lieblingspaare geworden, obwohl ich die beiden respektiere. Das mag zum einen daran liegen, dass sie für einen anderen Stil stehen als meine Lieblingspaarläufer Gordeeva & Grinkov oder Berezhnaya & Sikharulidze. Und wahrscheinlich ging es mir wie den deutschen Sportzuschauern allgemein: irgendwie wurde die sicherlich herausragende sportliche Leistung von Savchenko & Szolkowy immer von dem ganzen Drama um ihren Trainer Ingo Steuer überlagert. So hatten die beiden nie auch nur die geringste Chance von der Popularität her an Kilius & Bäumler heranzureichen.

Auch das Ende von Savchenko & Szolkowy als Sportpaar und die endgültige Trennung von Aljona Savchenko und Ingo Steuer im sportlichen und privaten Sinne war wenig rühmlich. Ich finde es immer schade, wenn eine solches Team völlig auseinander bricht und keinerlei gemeinsame Basis mehr zu bestehen scheint.

Schön zu sehen ist hingegen, dass Robin der Übergang vom aktiven Leistungssport ins normale Berufsleben gut gelungen zu sein scheint. Ich hoffe, man wird noch mehr von ihm als Trainer sehen.

Aljona kann man nur wünschen, dass sie mit ihrem neuen Partner Bruno Massot ihre sportlichen Ziele erreichen wird. Und vor allem, dass sie die potentiellen Erfolge auch genießen kann. Denn das ist das, was ich in der Biografie am traurigsten fand: dass Savchenko & Szolkowy, angetrieben von Ingo Steuer, von Erfolg zu Erfolg gehetzt sind, aber sich nie die Zeit genommen haben, das Erreichte zu genießen und richtig zu feiern. Ganz uneigennützig ist mein Hoffen auf Erfolg für Savchenko & Massot nicht, denn mit den amtierenden Paarlaufweltmeistern und der generellen Richtung im aktuellen Paarlaufen kann ich nur wenig anfangen… Also drücke ich die Daumen, dass die beiden den letzte Saison eingeschlagenen Weg erfolgreich zu Ende gehen.

Die Biografie „Ein perfektes Paar“ kann ich jedem Sportfan ans Herz legen, denn sie ist hervorragend recherchiert, liest sich leicht und flüssig und wird durch Bilder aufgelockert. Hinsichtlich der Fotos hat mir besonders gut gefallen, dass sie nicht separat in dem Buch gesammelt enthalten sind sondern im jeweils passenden Kapitel erscheinen.

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