|Wanderlust| Kabarett & Comedy mit Michl Müller – „Ausfahrt freihalten“

Michl Müller – „Ausfahrt freihalten!“

Am letzten Sonntag im Juli war ich bei Michl Müller in Schwäbisch Hall im Neubausaal. „Michl, wer?“, wird sich der eine oder andere an dieser Stelle fragen. Michl Müller kommt aus der Rhön (Nähe Bad Kissingen) und macht eine Mischung aus Kabarett und Comedy. Dieses Repertoire ergänzt er durch selbstgedichtete Lieder, die er live vorträgt. Einem breiten Fernsehpublikum bekannt ist er durch die Fernsehsendung „Fastnacht in Franken“, die regelmäßig die Fernsehrekorde im Regionalfernsehen der ARD sprengt.

Und bevor jemand fragt: ja, ich gucke so etwas.

Wie schon in meinem Jahresrückblick 2015 erwähnt, bin ich niemand, der die neuesten, amerikanischen Serien bei den einschlägigen „Streaming“-Anbietern schaut. Diese Serien sind mir zu düster und zu komplex. Allgemein mag ich es nicht, mich von einer Serie „abhängig“ zu machen, d.h. diesen Zwang zu haben, alle Folgen schauen zu müssen. Das hängt damit zusammen, dass ich kaum noch bewusst TV schaue. Normalerweise läuft der Fernseher bei mir nebenbei, während ich etwas an meinem Notebook arbeite. Da funktioniert es schlichtweg nicht, dass ich mich in eine komplizierte Fantasywelt mit 50 verschiedenen Charakteren einarbeite.

Falls sich jemand fragt, was ich stattdessen so schaue:

1. Sport: Wie bereits hier und hier dokumentiert liebe ich Sport im TV. Während der Fußball-EM z.B. hätte ich am liebsten auf keines der Vorrundenspiele verzichtet. Aktuell verfolge ich trotz Dopings und ZIKA-Virus die Olympischen Spiele in Rio. Das ist seit Kindertagen ein absolutes Highlight für mich. Und was habe ich zwischen Frankreich und Rio gemacht? Ich war im Urlaub. Und außerdem gab es da ein nicht unbedeutendes Dartturnier bei Sport1…

2. „Shopping Queen“: Nix besseres, als wenn es mir freitags gelingt, so rechtzeitig Feierabend zu machen, dass ich um 15:00 Uhr die letzte Folge der aktuellen Woche schauen kann. Ansonsten bleibt die Hoffnung, dass am Samstag eine mir unbekannte Woche „Shopping Queen“ wiederholt wird. Neben Guido und seinen Kommentaren finde ich es interessant, wie unterschiedlich die Bewohner der verschiedenen Städte so sind: die Berlinerinnen sind meist eher ausgeflippt und tätowiert, die Hamburgerinnen nordisch kühl und ein bisschen versnobt, die Kölner gut drauf und voller Lebensfreude. Klar, es gibt immer Ausnahmen, manches ist Klischee, aber ich stehe zu meiner Meinung, dass z.B. noch NIE eine unzickige Brasilianerin dabei war 😉

3. Dokus: Da gibt es bei den öffentlich-rechtlichen Kanälen so manche Perle wie z.B. „Die Knochen-Docs – Geschichten aus der Heidelberger Orthopädie“, „Auf drei Sofas durch…“, „Der Chiemsee – zwischen Beach und Bergalm“ oder „Traumhäuser“. Bitte keine „scripted reality“, kein großes Drama, einfach ehrliche Geschichten mit echten Menschen, gerne auch eher langsam erzählt.

4. TV-Serien aus der guten, alten Zeit: „Hotel Paradies“, „Unser Lehrer Dr. Specht“ und auch die ganz alten Schinken wie „Der Forellenhof“. Hier freue ich mich immer über eine Wiederholung. Auch aktuelle „Geschichten aus den Bergen“ (also z.B. „Der Bergdoktor“ oder „Die Bergretter“) mag ich gerne. Bestimmte „Tatort“-Kommissare wie Bibi & Moritz (nein, nicht „Bibi und Tina“…) bringen mich ebenfalls zum Einschalten.

Damit ich mich nicht perfekter mache, als ich tatsächlich bin, darf eines nicht fehlen:

5. Auswanderer-Trash: Nein, menschenverachtende Formate mag ich nicht. Ich lehne es ab, wenn Menschen vor die Kamera gezerrt werden, die die Folgen ihres Tuns nicht überblicken. Aber „Die Auswanderer“ auf VOX amüsieren mich köstlich. Vor allem Vollchaot Jens auf Mallorca gehört zu meinen heimlichen Highlights.

Zurück zum Programm von Michl Müller. Das startet mit einem Monolog zum aktuellen, politischen Tagesgeschehen. Da die Themen hier wirklich brandaktuell waren, gehe ich davon aus, dass dieser Einstieg ständig überarbeitet wird. Später geht dieser Teil relativ nahtlos in das eigentliche Programm namens „Ausfahrt freihalten“ über. Hier bilden verschiedene Geschichten und Witze zum Thema „Autofahren“ den lockeren Rahmen, wobei sich Michl Müller z.B. auch darüber wundert, dass es immer mehr Frauen mit Inkontinenz zu geben scheint – zumindest schließt er darauf anhand des überdurchschnittlichen Anteils dieser Problematik in der Werbung.

Das eher gesetztere Publikum (ich wage zu behaupten, dass ich zu den jüngsten/am jüngsten aussehenden Zuschauern gehört habe) ging von Anfang an super mit und die Stimmung war ausgelassen und sehr fröhlich. Michl Müller hatte keinerlei Probleme, das Publikum abzuholen. Ich denke, das liegt daran, dass er viele Situationen aus dem Alltag schildert, in denen sich jeder wiederfinden kann. Z.B. wenn er erzählt, dass er engagiert im Haushalt mithilft und kürzlich sogar ein Glas in die Spülmaschine geräumt hat! Was war der Dank dafür? „Wie hast du denn das reingestellt?!?!?!“ Ich konnte es mir nicht verkneifen, hier meine Mutter anzuschauen, denn genau den Satz haben sowohl mein Vater als auch ich in der Vergangenheit um die Ohren bekommen. Mit dem Ergebnis, dass keiner mehr etwas in die Spülmaschine einräumt. Neben dem politischen Opening sind es also vor allem Szenen aus dem Alltag, die man geboten bekommt.

Das Bühnenbild war ziemlich reduziert und bestand aus einem Plakat und mehreren Lichtboxen, was aber völlig ausreichend war und den Fokus auf Michl Müller selbst gelegt hat.

Traditionelles Highlight von Michl Müllers Auftritten sind seine Gesangseinlagen, die er dieses Mal mit dem Hinweis, „jetzt kommt ein Protestsong“ angekündigt hat – um dann doch festzustellen „das war wieder kein Protestsong…“. Die meisten Lieder wie „Die Ingwerreibe“ dürften eingefleischten Fans aus dem TV bekannt sein.

Beeindruckend war die Länge des Programms. Beginn war um 18:00 Uhr, verlassen haben wie den Neubausaal um kurz vor 22:00 Uhr, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht. Allein der Teil vor der Pause erstreckte sich über 1 1/2 Stunden. Das Preis-Leistungsverhältnis war für mich absolut gewahrt. Ein Ticket der besten Kategorie hat 30 Euro gekostet.

Eine Zugabe gab es auch. In gesungener Form. Direkt vor mir. Mit Blick auf mich. Also quasi exklusiv für mich gesungen. Eine Situation, mit der ich ü-b-e-r-h-a-u-p-t nicht umgehen konnte. Mich vorne hinstellen und einen Fachvortrag halten? Mache ich sofort. Fachlich stehe ich gerne im Mittelpunkt. Aber keinesfalls persönlich. Da setzt bei mir sofort ein Fluchtreflex ein. Das müssen meine selbstdiagnostizierten leicht autistischen Züge sein… Als damit zusammenhängendes, weiteres Highlight wurde ich im Parkhaus von einer älteren Dame auf diesen Vorfall angesprochen: „Sie sind doch die, für die Michl Müller vorhin gesungen hat?!“ An der Stelle sei erwähnt, dass es nicht meine Idee war, Tickets für die erste Reihe zu kaufen…

 Ich würde Michl Müller trotzdem weiterempfehlen, denn es war ein unterhaltsamer und witziger Abend.

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